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Wild (German Edition)

Wild (German Edition)

Titel: Wild (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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schon fragen wollte, ob dieses Thema hier genauso verboten war wie in Neustadt. Ob es bei den Damhirschen auch egal war, wen man küsste, solange man nur mit seinem verordneten Partner zusammenblieb.
    »Du hast keine Ahnung«, sagte sie schließlich. »Du weißt nichts, Pia.«
    »Ach nein? Immerhin habe ich mitgekriegt, dass Paulus dir Rightgood als Ehemann aufs Auge drücken wollte. Und du hast mich als Tochter bekommen, einfach so. Und weil es keine Glücksgaben gibt, ist es viel schlimmer. Weil man eben doch fühlt, viel mehr, als man sollte!«
    Ich war lauter geworden. Hastig sah Ricarda zu Benni hinüber. Er war wach und spielte mit seinen Hölzchen, so wie er es immer tat, indem er sie von einer Hand in die andere legte und wieder zurück.
    Ricarda streckte die Hand nach mir aus, aber als ich zurückzuckte, ließ sie sie wieder sinken.
    »Wir kämpfen um unser Überleben. Es gibt Gefühle, die dabei hinderlich sind. Und es gibt Gefühle, die möchte man niemals wieder erleben. Wenn jemand neben dir stirbt. Wenn die Jäger vorübergehen und deinen Mann erschießen oder dein Kind und dich verschonen, ohne einen Grund. Dann willst du nur, dass dieses neue Kind, das dir jemand in die Arme legt, dieses verstörte, weinende, hilflose Kind, in Sicherheit ist. Du fragst nicht danach, ob du es liebst. Du fragst nicht, was in deinem Herzen ist, du tust einfach dein Bestes. Du nimmst sogar irgendeinen Mann in Kauf, Hauptsache, er ist stark genug, um die Kinder zu beschützen und zu ernähren.«
    Hätte ich Mitleid mit ihr haben sollen, weil sie sich so um uns sorgte? Ich wusste nicht mehr, was ich denken sollte. Ich spürte nur diesen scharfen Schmerz in meinem Inneren, der mich aggressiv machte, der mich dazu bringen wollte, um mich zu schlagen, ganz gleich, wen ich dabei verletzte.
    »Ich muss zurück«, sagte ich. »Ich kann nicht hierbleiben.«
    »Oh doch, das kannst du.« Sie öffnete das Zelt und stieg hinaus in den grauen Morgen, und ein Schwall kalter Luft kam herein mit dem mir mittlerweile vertrauten modrigen Geruch von Erde und Gras und Blättern. Der Herbst nahte.

    Eine Nacht wie viele. Ich war aus einem meiner Albträume aufgeschreckt und konnte nicht wieder einschlafen, weil ich mich in Rettungsplänen verstrickte, die ich im Kopf entwarf und wieder aufdröselte. Ein Loch in den Zaun schneiden? Einen Tunnel graben? Lucky eine Nachricht zukommen lassen – aber wie?
    Da ließ mich ein Kratzen an der Zeltwand aufhorchen. Benni knirschte mit den Zähnen … aber da war noch mehr.
    »Pst.« Jemand flüsterte auf der anderen Seite.
    Ich berührte den Stoff und begegnete einer Hand, erwiderte den Druck. Vorsichtig krabbelte ich zum Ausgang, an Ricarda vorbei, die fest schlief oder so tat, und schlüpfte nach draußen, wo ich prompt jemanden anrempelte. Nicht Orion, wie ich einen verrückten Moment lang gehofft hatte, sondern Gabriel, der mich festhielt, damit wir nicht beide zusammen umfielen.
    »Komm mit«, flüsterte er, nahm meine Hand und lief gebückt vom Zelt fort. Stumm blieb ich an seiner Seite.
    In den Bäumen rauschte der Wind und schüttelte Regentropfen über uns. Dunkle Wolken jagten über den Mond. Es war so finster, dass ich kaum meine eigene Hand erkennen konnte, geschweige denn Gabriel. Leise hörte ich ihn vor mir atmen.
    »Was ist los?«, wisperte ich. Plötzlich hatte ich Angst, es könnte etwas mit Orion sein.
    »Pia, wir brauchen deine Hilfe.«
    Wir – damit konnte er nur seine verrückte Truppe der Krallen meinen.
    »Hin und wieder führen wir, nun ja, waghalsige Aktionen durch. Einer von uns hatte eine Idee, und da kommst du ins Spiel.«
    »Worum geht es denn?«
    »Wir haben einen Tom«, sagte Gabriel nach einer Weile, in der er wohl mit sich rang, ob er mir das wirklich anvertrauen sollte. »Merton hat ihn modifiziert. Den Ortungschip entfernt.«
    Mein Verstand arbeitete. »Orions Tom? Also hat Jakob ihn gar nicht weggeworfen?«
    Wieder verdeckte eine Wolke den Mond. In einem Baum schrak ein Vogel auf und flatterte. Wir standen so nah beieinander, dass wir eigentlich gar nicht hätten reden müssen. Jeder Gedanke fand seinen Weg durch die Nacht.
    »Du musst Kontakt zu deinem Vater aufnehmen, Pia. Wir brauchen einen Verbindungsmann im Bio-Institut.«
    »Die Gespräche werden doch abgehört«, wandte ich ein, während meine Gedanken sich überschlugen. Was bedeutete das? Was wollten sie von meinem Vater? Was hatte das Bio-Institut mit dem Krieg gegen die Regs zu tun?
    »Auch die Regs

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