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Wild wie das Meer (German Edition)

Wild wie das Meer (German Edition)

Titel: Wild wie das Meer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Joyce
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im Mondschein die saftigen Wiesen und die sich sanft im Wind wiegenden Felder erkennen können, jetzt hingegen erstreckte sich eine endlose Leere jenseits des Waldrandes. Dort, wo einst das Herrenhaus gestanden hatte, erblickte Devlin nur noch nacktes Mauerwerk und zwei einsam in den Nachthimmel ragende Schornsteine. Der beißende Brandgeruch ließ keinen Zweifel – vor ihnen lag alles in Schutt und Asche.
    „Wir werden diesen Winter nicht überleben“, wisperte Sean und klammerte sich an Devlins Hand.
    „Sind die Soldaten in die Garnison bei Kilmallock zurückgekehrt?“, fragte Devlin grimmig. Entschlossenheit hatte die kalte Angst und das Gefühl von Übelkeit verdrängt.
    Sean nickte. „Dev? Wie sollen wir sie retten? Ich meine, es sind Tausende ... wir sind nur ... zwei Jungen.“
    „Wir werden einen Weg finden“, sagte Devlin. „Ich verspreche es, Sean.“
    Es war bereits Mittag, als sie die Anhöhe erreichten, von der aus man die englische Garnison bei Kilmallock überblicken konnte. Devlins Mut sank, als er jenseits der starken Holzpalisaden ein Meer von weißen Zelten und zahllose Rotröcke erblickte. Fahnen markierten die Quartiere der befehlshabenden Offiziere in der Mitte des Forts. Devlin zermarterte sich das Hirn, wie er und Sean in das Lager gelangen könnten. Wäre er größer gewesen, hätte er einen Soldaten getötet und ihm die Uniform abgenommen. Dann überlegte er jedoch, ob es nicht möglich wäre, einfach hinter einem Fuhrwerk oder mit einer Gruppe Soldaten durch das offene Tor zu gehen, da er und sein Bruder so klein und ungefährlich aussahen.
    „Glaubst du, es geht ihr gut?“, flüsterte Sean. Die Farbe war nicht in seine Wangen zurückgekehrt, seit ihr Vater vor ihren Augen ermordet worden war. Er sah erschreckend blass aus, seine Lippen waren aufgesprungen, und in seinen Augen spiegelte sich Angst. Devlin sorgte sich um seinen Bruder.
    Beschützend legte er einen Arm um Sean. „Wir werden sie retten, und alles wird wieder gut“, sagte er mit fester Stimme. Tief in seinem wunden Herzen wusste er jedoch, dass seine Worte nur eine furchtbare Lüge waren – nichts würde jemals wieder so sein wie früher.
    Und was war aus der kleinen Meg geworden? Er wollte den Gedanken nicht zulassen, dass die kleine Schwester womöglich in den Flammen verbrannt war.
    Devlin schloss die Augen. Eine unheimliche Stille umgab seine Sinne. Zum ersten Mal seit Stunden beruhigte sich sein Atem. Das brennende Gefühl in seiner Magengegend ließ nach. Etwas Dunkles und Unausgesprochenes begann sich in seinen Gedanken zu formen. Ein düsterer und grimmiger Schatten bemächtigte sich seiner – ein furchtbares und unnachgiebiges Versprechen.
    Sean begann zu weinen. „Was, wenn er ihr wehtut? Was, wenn ... er mit ihr ... das macht, was er mit Vater gemacht hat?“
    Devlin blinzelte und starrte dann ungerührt hinab auf das Fort. Einen langen Moment ruhte sein Blick auf der Garnison, und sein ganzes Denken war auf den eigentümlichen Wandel gerichtet, der sich in seinem Innern vollzogen hatte. Der zehnjährige Junge war für immer verschwunden. An seine Stelle war ein Mann getreten, ein gefühlloser und entschlossener Mann, ein Mann, dessen Zorn tief in seinem Innern loderte und nur noch einem Vorhaben diente. Die Macht dieses Vorsatzes verblüffte ihn.
    Die Furcht war von ihm abgefallen. Er hatte keine Angst mehr vor den Engländern, und selbst den Tod fürchtete er nicht mehr. Mit einem Mal wusste er, was er zu tun hatte – selbst wenn es Jahre dauern würde.
    Er wandte sich Sean zu, der ihn mit feuchten Augen ansah. „Er hat Mutter nichts zuleide getan“, vernahm er seine eigenen Worte wie aus weiter Ferne, und sein Tonfall war so bestimmend wie der seines Vaters.
    Sean blinzelte ihn überrascht an, dann nickte er.
    „Gehen wir“, sagte Devlin mit fester Stimme. Sie stiegen von der Anhöhe hinab und versteckten sich hinter einem Felsbrocken neben der Straße. Nach ungefähr einer Stunde bangen Wartens rumpelten vier Fuhrwerke mit Lebensmitteln heran, die von einem Dutzend berittener Soldaten begleitet wurden. „Tun wir so, als wollten wir sie begrüßen“, raunte Devlin seinem jüngeren Bruder zu. Schon oft hatte er gesehen, wie die Bauern den englischen Truppen beinahe unterwürfig zuwinkten, doch die törichten Rotröcke ahnten ja nicht, dass das Lächeln auf den eben noch freundlichen Mienen der Landbevölkerung sofort erstarb und von Flüchen und wüsten Beschimpfungen ersetzt wurde, sobald

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