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Wilde Chrysantheme

Wilde Chrysantheme

Titel: Wilde Chrysantheme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Feather
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grimmigen Linie verzogen.
    Er machte auf dem Absatz kehrt und tauschte in seinem Ankleideraum den Hausmantel gegen eine schlichte Reithose aus Wildleder, Stiefel und einen dunklen Gehrock. Das Schwert an seiner Taille war kein Spielzeug, und in seinem Spazierstock verbarg sich ein Stockdegen. Anschließend marschierte er wieder die Treppe hinunter, und der verwirrte Nachtportier kam herbeigelaufen, um den Eingang wieder zu entriegeln.
    »Wissen Sie, um welche Zeit Lord und Lady Edgecombe ausgegangen sind?«
    »Nein, Sir. Ich habe von Catlett gehört, daß sie ziemlich früh aufbrachen, noch vor Ihnen, Mylord.«
    Der Herzog verfluchte seine Blindheit. Warum hatte er nicht daran gedacht, sich nach Julianas Verbleib zu erkundigen, bevor er das Haus verließ? Er hatte sie völlig unterschätzt in der fälschlichen Annahme, ihr Trotz sei nicht mehr als der eines beleidigten Schulmädchens, dessen Pläne durchkreuzt worden waren.
    Er eilte hinaus und rief einen Fackelträger herbei, der dösend in einer Toreinfahrt auf der anderen Straßenseite stand, seine Öllampe erloschen zu seinen Füßen. Der Bursche schüttelte sich wach und kam über die Straße gerannt. »Wohin wollen Sie, M'lord?«
    »Nach Covent Garden.« Es würde Luciens erstes und wahrscheinlich letztes Ziel des Abends sein.
    Der Bursche kürzte eifrig den Docht seiner Laterne, bevor er einen Feuerstein an Zunder rieb. Der gelbe Lichtschein beleuchtete hilfreich das Straßenpflaster, als der Bursche im Laufschritt neben dem Herzog herkeuchte, um mit Tarquins ungeduldigem Tempo mitzuhalten.
    Juliana sog in tiefen Zügen die frische Luft im St. James' Park ein, als sie versuchte, den ekelerregenden Geruch von Blut aus ihrer Nase zu vertreiben. Sie konnte jedoch nicht die grausigen Bilder aus ihrem Bewußtsein verdrängen. Obwohl sie die meiste Zeit mit geschlossenen Augen dagesessen hatte, verfolgte sie noch immer der entsetzliche Anblick der zerfetzten und übel zugerichteten Vögel, die reglos in der mit Sägemehl bestreuten Arena lagen, umgeben von blutdurchtränkten Federn. Im Geiste vernahm sie noch immer das ohrenbetäubende Gebrüll der Zuschauer, als das wilde Wetten zunehmend hektischer wurde mit jedem neuen Hahnenpaar, die mit silbernen Sporen bewaffnet auf dem Kampfplatz wüteten. Offene Münder, die lauthals Ermunterungen und Flüche schrien; vom Alkohol glasige Augen, von einer gierigen Grausamkeit erfüllt; die erstaunliche Entschlossenheit der Hähne, die ihren Gegner bis zum letzten Atemzug bekämpften, selbst wenn sie bereits tödlich verletzt waren – all das hatte sich ihr unauslöschlich ins Gedächtnis geprägt, und zum ersten Mal in ihrem Leben war Juliana nahe daran, in Ohnmacht zu fallen.
    Irgendwie hatte sie jedoch durchgehalten, während sie Luciens hämische Blicke auf ihrem wachsbleichen Gesicht, ihren geschlossenen Augen spürte. Sie wollte ihm nicht die Befriedigung gönnen, bei diesem grauenhaften Schauspiel vor seinen Blicken zusammenzubrechen. Seine ausgehöhlte Miene wurde zunehmend gehässiger und schadenfroher, als die abscheulichen Kämpfe ihren Fortgang nahmen. Juliana bekam vage mit, daß er haufenweise Geld verlor. Bertrand hatte ihm lachend eine Handvoll Münzen überreicht, als Lucien mit einem lästerlichen Fluch seine leeren Taschen umdrehte. Doch erst nachdem sich das vierte Paar von Hähnen eine volle Dreiviertelstunde lang gegenseitig in Stücke gerissen hatte, wobei die Zuschauer in der vordersten Sitzreihe mit Federn und Blut bespritzt wurden, hatte sich Lucien schließlich von der schmutzverkrusteten Bank erhoben und verkündet, daß er nun genug von diesem jämmerlichen Vergnügen habe.
    Juliana war aus den kreisförmigen Tribünen gestolpert, hinaus in die warme Nacht. Am liebsten hätte sie sich unter einem Busch vor Ekel übergeben. Aber diese Genugtuung würde sie ihrem verabscheuungswürdigen Ehemann nicht verschaffen.
    »Nun, meine Liebe, ich hoffe, Sie genießen Ihre Einführung in die Vergnügungen des Londoner Nachtlebens.« Lucien nahm eine Prise Schnupftabak und betrachtete sie mit einem gemeinen Lächeln.
    »Es ist ohne Zweifel eine interessante Erfahrung, Mylord«, erwiderte sie, sowohl überrascht als auch froh darüber, daß ihre Stimme klar und ruhig klang.
    Lucien runzelte die Stirn und funkelte sie böse in dem flackernden Licht der Fackeln an, die den Weg von der Hahnenkampfarena zum Tor erleuchteten. Die Frau entpuppte sich als eine Enttäuschung. Er hatte einen Zusammenbruch mit Ach und

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