Wilde Chrysantheme
hinterließ.
In Luciens Augen glitzerte eine grausame Freude über ihren Schrei. Wieder hob er den Arm, um sie zu schlagen, während er gleichzeitig unbarmherzig an ihrem Haar zog, als wollte er ihr die Haut vom Kopf reißen. Aber er hatte sein Opfer unterschätzt. Es war eine Sache, Juliana zu überrumpeln: sich mit ihr anzulegen, wenn sie eine Chance wahrnahm, ihre Kräfte zu sammeln, war dagegen eine völlig andere. Im Laufe der Jahre hatte sie ihren Jähzorn in den Griff bekommen, jetzt unternahm sie jedoch keinerlei Anstrengung, ihn zu verdrängen.
Lucien machte die Erfahrung, daß er es wahrhaftig mit einer Furie zu tun hatte. Er packte erneut eine Faustvoll ihrer Haare, doch sie schien den Schmerz nicht zu spüren. Die Reitgerte fiel zu Boden, als sie blitzschnell ein Knie hob und es ihm mit tödlicher Genauigkeit zwischen die Beine rammte. Seine Augen wurden wäßrig, und er röchelte vor Schmerz. Noch bevor er sich gegen ihren nächsten Angriff schützen konnte, versetzte sie ihm mehrere harte Tritte gegen beide Schienbeine und zielte mit zu Klauen gekrümmten Fingern nach seinen Augen. Instinktiv schlug er sich die Hände vors Gesicht.
»Du elender Bastard… du dreckiger, widerwärtiger Sohn einer räudigen Hündin!« zischte Juliana außer sich, während sie ihm ihr Knie abermals in den Bauch stieß. Lucien krümmte sich in einem qualvollen Krampf vornüber und wurde von einem derart heftigen Hustenanfall geschüttelt, daß es schien, er huste sich die Eingeweide aus dem Leib. Juliana griff hastig nach der Reitgerte und hob den Arm, um sie auf seinen Rücken niedersausen zu lassen.
»Jesus, Maria und Joseph!« Tarquins entsetzte Stimme durchdrang den scharlachroten Nebel ihrer Raserei. Er umschloß ihr erhobenes Handgelenk mit festem Griff und zwang sie, den Arm zu senken. »Was, zum Kuckuck, geht hier vor?«
Juliana kämpfte darum, sich wieder in die Gewalt zu bekommen. Ihre Brüste hoben und senkten sich schwer unter jedem keuchenden Atemzug, ihre Wangen waren tödlich bleich, ihre Augen sprühten Funken und sahen nichts außer der widerwärtigen, sich windenden Gestalt des Mannes, der es gewagt hatte, die Hand gegen sie zu erheben. »Du erbärmlicher Abschaum«, sagte sie und ihre Stimme zitterte vor Wut. »Du Kotzbrocken von einem Hurensohn! Auf daß du in deinem Grab verfaulst, du grüne, schleimige Made!«
Tarquin entwand ihr die Reitgerte. »Atme tief durch,
Mignonne. «
»Wo waren Sie?« verlangte sie mit bebender Stimme Auskunft. »Sie haben gesagt, ich würde ihn nie wiedersehen müssen. Hoch und heilig haben Sie mir
versprochen,
ihn von mir fernzuhalten!« Sie berührte ihre schmerzende Kopfhaut und zuckte zusammen, als die Armbewegung den Peitschenstriemen auf ihrer Schulter dehnte.
»Bis vor ein paar Sekunden habe ich gar nicht gewußt, daß er wieder im Haus ist«, verteidigte Tarquin sich. »Ich hätte ihn nicht in deine Nähe gelassen, wenn ich davon gewußt hätte. Bitte glaub mir, Juliana.« Sie bebte am ganzen Körper, und er legte beschwichtigend eine Hand auf ihren Arm, sein Ausdruck angespannt vor Zorn und Reue. »Geh jetzt in deine Räume und überlaß alles Weitere mir. Henny wird sich um deine Verletzungen kümmern. Ich bin in Kürze bei dir.«
»Er hat mich mit der verdammten Reitgerte geschlagen«, schluchzte Juliana wütend.
»Dafür wird er büßen«, verkündete Tarquin grimmig und berührte flüchtig ihre Wange. »Und jetzt tu bitte, was ich dir gesagt habe.«
Juliana warf einen letzten, flammenden Blick auf Lucien, der sich weiterhin vor Schmerzen krümmte, und schleppte sich dann mit langsamen, müden Schritten davon, die jeglichen Schwung verloren hatten.
Tarquin musterte seinen Cousin eisig. »Ich will, daß du binnen einer Stunde mein Haus verläßt, Edgecombe«, sagte er mit gefährlich ruhiger Stimme.
Lucien blickte auf, noch immer mühsam nach Atem ringend. Seine Augen waren blutunterlaufen und in ihre Höhlen gesunken, aber seine Zunge troff nach wie vor von Gift. »Tja, was sagt man dazu!« sagte er schleppend. »Du brichst unsere Abmachung, werter Cousin? Schande über dich! Das leuchtende Musterbeispiel an Ehre und Pflichtgefühl steht also doch nur auf tönernen Füßen.«
Ein Puls klopfte an Tarquins Schläfe, doch er sprach ohne jede Emotion. »Ich war ein Narr zu glauben, daß es möglich wäre, ein ehrenhaftes Abkommen mit dir zu schließen. Hiermit betrachte ich den Vertrag als null und nichtig. Und jetzt verschwinde auf der Stelle.«
»Du
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