Wilde Chrysantheme
erhalten, um Krieg gegen die Verantwortlichen zu führen.«
»Sie meinen, ich soll als Spionin agieren?«
»Als Informantin«, korrigierte Tarquin.
»Ich werde auch verwalten, was immer Sie an Geldern sammeln können«, fuhr Mr. Thornton fort, »und dafür Sorge tragen, daß jene Frauen aus dem Fonds unterstützt werden, die in Not geraten sind. Ihren Arbeitgebern wird meine scheinbare Mildtätigkeit sicherlich kaum gefallen – aber sie werden keinen Vorwand geliefert bekommen, sich an den Frauen zu rächen, deshalb braucht niemand Repressalien zu befürchten.« Mr. Thornton nickte nachdrücklich.
»Lieber möchte ich etwas gegen die Mißstände unternehmen«, erklärte Juliana. »Nur Geschichten weiterzuerzählen kommt mir ein bißchen kläglich vor.«
»Aber wenn du etwas
tust
, Juliana, gerätst du Hals über Kopf in Schwierigkeiten«, warf der Herzog ein. Bonnell Thornton schmunzelte, und Juliana errötete, unternahm jedoch keinen Versuch, diese Wahrheit zu bestreiten.
»Dein Fehler,
Mignonne,
besteht darin, daß du deine Fähigkeiten, die Welt zu verändern, überschätzt«, erläuterte Tarquin. »Ohne Unterstützung kannst du es nicht schaffen.«
»Das habe ich ja gestern schon gesagt.«
»Und wie du siehst, habe ich mir dein Plädoyer zu Herzen genommen.«
»In der Tat«, gestand sie langsam. Es fiel ihr immer noch schwer zu glauben, daß ihre Worte eine solche Wirkung gehabt haben sollten. Sie wandte sich wieder an Bonnell Thornton. »In Ordnung, Mr. Thornton. Wenn es auf diese Weise funktioniert, dann helfe ich Ihnen natürlich, soweit ich kann.«
»Gut. Sie werden sehen, daß wir Schritt für Schritt etwas verändern können… So, dann darf ich mich jetzt verabschieden. Euer Gnaden…« Er verbeugte sich vor dem Herzog, der höflich aufstand und seinen Gast zur Tür begleitete. Juliana knickste, als Mr. Thornton vorsichtig ihre bandagierten Hände ergriff und einen Kuß auf ihre Fingerspitzen hauchte. »Guten Tag, Lady Edgecombe. Ich freue mich schon auf unsere Zusammenarbeit.«
Tarquin schloß die Tür hinter ihm, dann wandte er sich zu Juliana um. »Ich weiß, du denkst, es ist keine richtige Arbeit, aber sei versichert, es ist das Beste, was du tun kannst.«
Juliana war nicht so ganz davon überzeugt. Ihr schwebten viele Möglichkeiten vor, wie sie sich etwas aktiver an Mr. Thorntons Vorhaben beteiligen könnte. Aber es wäre sicher nicht ratsam, gegenwärtig davon anzufangen. »Ich kann meine Arbeit für diesen Herrn nicht erledigen, ohne meine Freundinnen zu besuchen«, erklärte sie.
»Nein«, stimmte Tarquin zu, während er zur Anrichte hinüberschlenderte, um sich ein Glas Sherry einzuschenken. »Aber du wirst nicht vergessen, in Zukunft Ted mitzunehmen?«
Juliana schüttelte den Kopf. »Wieso haben Sie Ihre Meinung plötzlich geändert?«
Er stellte die Karaffe ab und kam zu ihr. Behutsam nahm er ihr Gesicht zwischen seine Hände und streifte mit den Lippen über ihre Augenlider. »Du bewirkst die seltsamsten Wunder,
Mignonne.
Ich glaube, wenn du es dir in den Kopf setzen würdest, könntest du sogar ein Herz aus Stein erweichen.« Er ließ seinen Daumen zärtlich über ihre Lippen gleiten und lächelte kläglich. »Ich kann allerdings nicht sagen, daß ich es genieße, Ausgangspunkt deines reformerischen Eifers zu sein.« Er küßte sie, während sie noch nach einer Antwort suchte. »Geh jetzt wieder in dein Zimmer hinauf. Du siehst erschöpft aus.«
Ihr war plötzlich übel, und gleichzeitig fühlte sie sich überwältigend schläfrig. Ihr Verstand hatte noch immer Mühe, seine Worte zu erfassen. Bedeuteten sie wirklich so etwas wie eine Erklärung? Eine Art Versprechen? Sie suchte nach einer passenden Bemerkung, doch etwas in seinen Augen bat sie inständig zu schweigen. Seine Hände auf ihren Schultern drehten sie zur Tür. »Geh zu Henny, Juliana.« Und sie gehorchte ohne ein Widerwort.
Sie lag auf der Chaiselongue unter ihrem Schlafzimmerfenster ausgestreckt, während Henny ihr die Schuhe auszog und das Oberteil ihres Kleides aufschnürte. Julianas Hand glitt zu ihrem Bauch. Dieses Kind würde nur einen Vormund und einen Onkel kennen, niemals jedoch einen Vater. Alle liebevolle Zuwendung der Welt konnte nichts an dieser Tatsache ändern. Und wenn Tarquin erst einmal wußte, daß sie sein Kind unter dem Herzen trug, würde es nicht mehr ausschließlich ihr gehören, selbst nicht in ihrem Mutterschoß. Wie lange konnte sie ihr Geheimnis wohl noch hüten?
»Henny sagt,
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