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Wilde Chrysantheme

Wilde Chrysantheme

Titel: Wilde Chrysantheme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Feather
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Juliana scheint heute überhaupt nicht richtig wach zu werden.« Quentin klang besorgt, als er vor dem Kaminfeuer in der Bibliothek stand, das die klamme Kälte des regnerischen Tages vertreiben sollte. »Ob sie vielleicht doch mehr gelitten hat, als wir wissen?«
    »Das glaube ich nicht.« Tarquin nippte an seinem Portwein. »Vermutlich steckt etwas anderes dahinter.«
    »Was?« Quentin griff nach seinem eigenen Glas auf dem Kaminsims.
    Tarquin gähnte. »Es ist Julianas Aufgabe, damit herauszurücken. Ich könnte mir vorstellen, daß sie es mir sagen wird, wenn sie soweit ist.« Er streckte seine Beine vor dem Kaminfeuer aus. »Es gibt Zeiten, da ist es ausgesprochen reizvoll, einen Abend zu Hause zu verbringen.«
    »Besonders bei so einem Wetter!« Quentin wies auf das Fenster, wo der Regen monoton an die Scheiben prasselte. »Ein ungemütlicher Abend, um unterwegs zu sein.«
    »Ja, und der Gedanke, daß meine schwer zu bändigende
Mignonne
sicher oben in ihrem Bett liegt, fördert die Behaglichkeit noch.« Tarquin gähnte erneut.
    Quentin blickte nachdenklich in sein Glas. »Wirst du diese Liaison vor Lydia verbergen, wenn sie deine Ehefrau ist?« Seine Stimme klang gepreßt, sein Blick hatte etwas Gequältes an sich.
    Tarquin blickte auf, und die schläfrige Trägheit verschwand aus seinem Ausdruck. »Was meinst du damit, Quentin?«
    »Was glaubst du wohl, was ich meine?« Quentin sprang von seinem Sessel auf. Seine Bitterkeit war plötzlich nicht mehr zu ertragen. »Beide, Juliana und Lydia, sollen unter deinem Dach leben. Wirst du die wahre Natur deiner Beziehung zu Juliana vor Lydia geheim halten?«
    Tarquin starrte ihn erstaunt an. Quentins Gesicht war bleich, seine Lippen blutleer.
    »Ich kann es nicht ertragen, Tarquin! Diese Vorstellung ist einfach zuviel, daß du Lydia so behandeln wirst. Ich liebe sie, Gott helfe mir. Und ich werde nicht tatenlos daneben stehen und zusehen, wie du mein Teuerstes zerstörst.« Verzweifelt rang er die Hände, seine grauen Augen wie brennende Löcher in seinem weißen Gesicht.
    »Du… du und Lydia!« stotterte Tarquin. »Du und Lydia?«
    »Richtig.«
    »Lydia… Lydia weiß, wie du für sie empfindest?« Er schien es immer noch nicht fassen zu können.
    »Ja.«
    »Und… und erwidert sie deine Gefühle?«
    Quentin nickte.
    »Großer Gott!« Tarquin strich sich erschüttert mit der Hand durchs Haar. »Du und Lydia, ihr liebt euch? Ich weiß zwar, daß du sie schon immer sehr geschätzt hast, aber…«
    »Manchmal bist du so verdammt blind, daß du deine eigene Nase nicht siehst!« erklärte Quentin, der sich plötzlich wie befreit fühlte, als ob ihm eine gewaltige Last von den Schultern genommen wäre. »Juliana hat nur fünf Minuten gebraucht, um zu begreifen…«
    »Juliana!« Jetzt erinnerte er sich wieder an ihre Andeutungen. »Jesus, Maria und Joseph«, murmelte er.
    »Ich kann es nicht dulden, daß du Lydia beleidigst, indem du deine Mätresse Wand an Wand mit ihr beherbergst«, fuhr Quentin aufgebracht fort.
    Tarquin sagte nichts, sondern starrte lediglich gedankenverloren ins Feuer. Langsam dämmerte ihm, daß es auch ihm weh täte, Juliana auf diese Weise zu beleidigen. Was, in drei Teufels Namen, geschah nur mit ihm?
    »Hast du mich gehört, Tarquin?«
    Er schaute auf und schüttelte mit einem Lachen ungläubiger Resignation den Kopf. »Ja, ich habe dich gehört, Bruder. So deutlich, als spräche ich zu mir selbst!«
    Quentin wartete auf mehr, doch sein Bruder wandte sich schweigend wieder dem Feuer zu und drehte sein Portweinglas zwischen den Fingern. Es war, als wüchse eine Mauer um ihn herum. Das Schweigen zog sich in die Länge, zu guter Letzt verließ Quentin den Raum und schloß leise die Tür hinter sich. Die Probleme waren zwar nicht gelöst worden, aber er hatte Tarquin endlich reinen Wein eingeschenkt. Die Wahrheit lag jetzt offen zutage, und statt sich Sorgen darüber zu machen, empfand er nur eine überwältigende Erleichterung.
    Tarquin saß lange Zeit reglos in seinem Sessel. Schließlich erhob er sich und füllte sein Portweinglas nach. Sein Blick fiel auf das Miniaturbildnis von Lydia Melton auf dem Kaminsims. Ernst, zurückhaltend, würdevoll. Die perfekte Ehefrau für einen Bischof.
    Plötzlich lachte Tarquin auf. Wie unglaublich einfach doch alles war, wenn man die Welt wie Juliana ins Auge faßte.
    Er schmunzelte noch immer vor sich hin, als es an der Tür klopfte und Catlett mit einem Brief auf einem Silbertablett eintrat. »Bitte

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