Wilde Chrysantheme
Waschlappen schrubbte und nicht einen Zentimeter ihrer Haut unberührt ließ. Rauh behandelte er sie nicht, aber sehr gründlich, und als er ihre Brüste einseifte, die neuerdings so empfindlich waren, musste sie achtgeben, nicht zusammenzuzucken.
Tarquin bemerkte das fast unmerkliche Zittern. Er fragte sich, wie lange es wohl noch dauern würde, bis sie ihm von ihrer Schwangerschaft erzählte. Vermutlich kam sie gar nicht auf die Idee, daß er es schon von allein erraten haben könnte. In ihrer rührenden Naivität erkannte sie nicht, daß er ebenso auf ihren Körperzyklus eingestellt war wie sie selbst. Zärtlichkeit wallte in ihm auf, er ließ sich jedoch nichts anmerken; sie würde es ihm schon sagen, wenn sie dazu bereit war.
»Hoffentlich bist du jetzt sauber«, verkündete er schließlich. »Ich habe kein Ungeziefer finden können. Bleibt nur die Ungewißheit, ob du dir nicht irgendwelche ansteckenden Krankheiten eingehandelt hast. So, steig heraus!« Er griff nach einem großen Handtuch.
Juliana stand still, während er sie so vorsichtig abtrocknete, als wäre sie eine Porzellanpuppe, und die intimsten Stellen ihres Körpers mit äußerster Behutsamkeit behandelte, die auch diesmal bewußt sachlich blieb. Schließlich zog er ihr das Nachthemd über den Kopf.
»Jetzt kannst du dich ins Bett legen und mir genau erklären, welcher geistige Höhenflug zu diesem letzten Debakel geführt hat.«
»Geistiger Höhenflug! So nennen Sie das also?« Ihre Erschöpfung und Verwirrung waren für den Moment vergessen, und sie funkelte ihn böse an, während ihr feuchtes Haar um ihr Gesicht flog. »Ich möchte diesen armen Frauen dabei helfen, ein wenig Unabhängigkeit in ihrem Leben zu gewinnen, und Sie nennen es einen geistigen Höhenflug!« Die Verachtung in ihren Augen versengte ihn förmlich. »Da draußen ist eine Welt voller Sklavinnen… Sklavinnen, deren Körper Ihrem Vergnügen dient – deshalb ist es natürlich nur in Ihrem Interesse, nichts gegen die schlimmen Zustände zu unternehmen!«
Sie wandte sich mit einer kleinen Geste der Resignation ab und kletterte ins Bett. »Ihnen fehlt das Mitgefühl, eine Seele, Mylord! Genau wie dem Rest Ihrer Sorte. Wenn Sie öffentlich für jene armen Frauen eintreten würden… Sie und Lord Quentin und andere wie Sie… dann würden die Leute aufmerken. Wenn Sie auf fairer Behandlung für die Frauen bestehen würden, deren Körper Sie benutzen, dann würde sich etwas ändern.« Sie zog sich die Bettdecke bis zum Kinn hoch und warf sich auf die Seite, um ihm den Rücken zu kehren.
Tarquin starrte auf die Kurve ihres Körpers unter der Decke. Geistesabwesend strich er sich mit einer Hand durchs Haar in einer ganz und gar uncharakteristischen Geste der Verstörung. Noch keiner hatte je zuvor mit derart wütendem Hohn zu ihm gesprochen. Und anstatt sich darüber zu ärgern, fühlte er nur Bestürzung. Ein siebzehnjähriger Fratz beschuldigte ihn der Herzlosigkeit in seiner Lebensweise, seiner Sicht der Welt, und säte in ihm unbekannte Selbstzweifel.
Sie trieb ihn an den Rand des Wahnsinns. Wenn sie ihn nicht gerade mit ihren missionarischen Abenteuern in Angst und Sorge versetzte, löste sie jeden ordentlich verwebten Faden aus dem Wandteppich seines Lebens und zwang ihn, die Augen zu öffnen und Dinge zu sehen, die ihn noch nie bewegt hatten. Mehr als ein paar jener Anklagen betrafen ihn selbst, und sie waren nicht gerade angenehm.
Er machte einen Schritt auf das Bett zu, dann wandte er sich mit einem verwirrten Kopfschütteln wieder ab und verließ das Zimmer, um leise die Tür hinter sich ins Schloß zu ziehen.
Als sie allein war, rollte Juliana sich auf den Rücken. Sie starrte zu dem geblümten Betthimmel hinauf, ihre Augen blicklos auf eine Efeuranke fixiert. Heiße Tränen benetzten ihre Wangen; sie redete sich ein, daß sie vor Erschöpfung weinte. Daß ihre Tränen nur die Reaktion auf das waren, was sie durchgemacht hatte.
27. Kapitel
»Du lieber Himmel, aber ich weiß wirklich nicht, wohin das noch führen soll, wenn ihr jungen Dinger es dauernd fertigbringt, euch derart zuzurichten.« Henny schüttelte aufgebracht den Kopf, als sie am folgenden Morgen die Verbände von Julianas verletzten Händen löste.
»Wie geht es Rosamund?« Juliana fühlte sich schlapp und von einer tiefen, höchst ungewöhnlichen Mattigkeit erfüllt. Sie hatte den ganzen Tag und die ganze Nacht geschlafen und kämpfte noch immer gegen ein Gefühl schläfriger Benommenheit an. Regen
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