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Wilde Chrysantheme

Wilde Chrysantheme

Titel: Wilde Chrysantheme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Feather
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konnte sich weder rühren noch den Mund öffnen. Der leicht stechende Geruch von Riechsalz war in ihrer Nase. Sie hielt die Augen geschlossen. Was bedeutete das alles? Plötzlich kehrte die Erinnerung an den grausigen Alptraum zurück, die Hände an ihrer Kehle, Georges Gesicht, aufgedunsen, fettig und triumphierend.
    Kein Alptraum. Sondern entsetzliche Realität!
    Sie hielt still, während sie herauszufinden versuchte, warum sie sich nicht bewegen konnte. Ihr benommener Verstand schien eine Ewigkeit zu brauchen, um zu dem Schluß zu kommen, daß sie gefesselt und geknebelt war.
    »Wir sind jetzt gleich bei der >Glocke<.«
    Luciens Stimme.
Barmherziger Himmel, sie musste mit George und ihrem Widerling von Ehemann fertig werden. Kalter Schweiß brach auf ihrem Rücken aus. Wie hatten sie sie bloß aus dem Haus schaffen können, ohne daß es jemand bemerkt hatte? Wo steckte Tarquin? Warum war er nicht dagewesen? Tränen brannten hinter ihren Lidern, und sie tat ihr Bestes, sie hinunterzuschlucken. Ihre Kehle schmerzte höllisch; aber noch schlimmer war die Vorstellung, daß Tränen über ihr Gesicht kullerten und den Knebel durchnäßten, was sie sich hilflos gefallen lassen müßte.
    Die Droschke kam mit einem Ruck zum Halten. Lärm war draußen zu hören. Schnelle Schritte, laut rufende Stimmen. Licht fiel auf ihre geschlossenen Lider, als Juliana hochgezogen und aus der Droschke gezerrt wurde, noch immer fest in den Umhang gewickelt. George hievte sie sich wieder über die Schulter. Sie riskierte es zu blinzeln und sah, daß sie sich in dem vertrauten Hof der »Glocke« in Cheapside befanden. Eine Postkutsche stand vor der Tür, die Pferde waren bereits angespannt, und die Stallburschen hatten unter den Dachvorsprüngen des Gasthofs Schutz vor dem Regen gesucht.
    Man trug Juliana über den Hof. George warf sie grob in das Innere der Kutsche und knallte die Tür zu. »Die Dame ist krank«, erklärte er den Pferdeknechten. »Sie schläft, also stört sie nicht. Wir sind in einer Minute wieder da.« Zu Lucien gewandt, sagte er: »Lassen Sie uns einen Happen zu Abend essen. Ich bin so naß wie eine ersäufte Katze und so ausgedörrt wie die Wüste.«
    Lucien warf einen Blick auf die geschlossene Tür der Postkutsche, dann zuckte er die Achseln und folgte George in den Schankraum. »Was passiert, wenn jemand hineinschaut?«
    »Das ist einzig und allein meine Sache«, knurrte George in eine Cognacflasche. »Außerdem wird sie keinen Muckser tun. Sie kann sich nicht bewegen. Wer sollte sich schon an der Kutsche zu schaffen machen?«
    Mir soll's egal sein. Das ist nicht meine Angelegenheit, dachte Lucien, während ihn ein heftiges Frösteln überlief. Nicht er hatte die Entführung zu verantworten! Er trank durstig von dem Cognac, lehnte jedoch die Fleischpastete, das Brot und den Käse ab, die George mit gierigem Schmatzen vertilgte. Aus langer Erfahrung wußte er, daß die knochentiefe Kälte, die ihm zu schaffen machte, Vorbote einer seiner ernstlichen Fieberanfälle war. Vielleicht sollte er sich hier ein Zimmer nehmen und das Fieber ausschwitzen.
    Aber er wollte seine tausend Guineen haben und war nicht bereit, sich von George zu trennen, bis er das Geld fest in der Hand hielt. Fest stand, daß George eine solche Summe erst lockermachen konnte, wenn er zu Hause war; deshalb würde Lucien ihn dorthin begleiten. Außerdem könnte es eine amüsante Darbietung werden, wenn seine Ehefrau wieder zu sich kam.
    Juliana lag noch genauso in der Kutsche, wie sie hineingestoßen worden war, halb auf der Sitzbank und halb daneben. Vielleicht könnte sie sich vollständig auf die Bank manövrieren, aber dann würden sie wissen, daß sie sich bewegt hatte. Instinktiv begriff sie, daß sie weiterhin Bewußtlosigkeit vortäuschen musste, bis sie am Ziel angekommen waren, wo immer das auch sein mochte. Irgendwann würden sie ihre Fesseln aufbinden müssen. Sie fühlte sich extrem unbehaglich, jeder Muskel in ihrem Körper war verkrampft und schrie nach Erleichterung. Mit Macht versuchte sie, ihre Gedanken von dem Schmerz in ihren Gliedern und ihrer Kehle abzulenken, während sie sich fragte, wie spät es wohl war. Wie nahe an der Morgendämmerung. Um welche Zeit hatten sie sie entführt? Und wohin schleppten sie sie nur?
    George brauchte sie entweder tot oder wegen Mordes verurteilt, um ihre Vermögenszuweisung zurückfordern zu können. Also, welche der beiden Möglichkeiten hatte er im Sinn? Beide Vorstellungen waren alles andere als

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