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Wilde Chrysantheme

Wilde Chrysantheme

Titel: Wilde Chrysantheme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Feather
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vergrößerte sich. Sie verdrängte die Schmerzen aus ihrem Bewusstsein und zwang sich statt dessen, sich Raum für Raum den Grundriß des Hauses ins Gedächtnis zu rufen. Sich die Fenster vorzustellen, die Türen, die Außengebäude, die schmale Straße, die hinter den Ställen entlangführte.
    Die Kutsche holperte die Auffahrt zu dem gedrungen wirkenden Backsteinhaus der Ridges hinauf und kam vor der Eingangstür zum Stehen. George sprang auf den Kies, griff nach Juliana und zog sie unsanft an den Füßen heraus. Ihr Kopf schlug hart auf den Boden, und sie öffnete die Augen.
    »Ah, meine schlafende Schönheit, das hat dich endlich aufgeweckt«, sagte er voll Stolz auf seinen Trick, als er sie hochhievte und sich erneut auf seine Schulter packte. »Ich glaube, wir beide werden viel Spaß miteinander haben.« Er trug sie die Stufen hinauf zur Tür. Sie öffnete sich augenblicklich, und eine ältere Haushälterin knickste erschrocken vor ihm.
    »Ah, Sir George, wir hatten noch gar nicht mit Ihnen gerechnet.«
    George grunzte lediglich und schob sich an der Frau vorbei. Lucien folgte zähneklappernd und an sämtlichen Gliedern zitternd, die Schultern hochgezogen und die Arme um sich geschlungen gegen das Frieren bis ins Mark.
    »Kümmern Sie sich um meinen Gast, Dolly«, befahl George, als er zur Treppe marschierte. »Der Mann braucht Feuer, heißes Wasser und ein Bett.«
    »Cognac«, erklärte Lucien schwach, als er abermals die Flasche an seine Lippen hob.
    Die Frau starrte ihn entsetzt an. Sie erkannte einen Sterbenden, wenn sie einen vor sich hatte. »Hier entlang, Sir.« Sie nahm seinen Arm, doch er schüttelte ihre Hand mit einem Fluch ab.
    »Bringen Sie mir einfach Cognac und heißes Wasser, Frau.« Er stolperte in ein Zimmer auf der Seite der Halle und preßte sich ein Taschentuch vor den Mund, als sich der blutige Schleim aus seinen Lungen löste.
    Juliana hörte Luciens rasselnden Husten und fühlte einen entfernten Hoffnungsstrahl. Ihr Gatte war eindeutig zu krank, um eine ernstliche Bedrohung für sie darzustellen. Damit blieb nur noch George. Aber so verschnürt, wie sie war, würde sie mehr als genug damit zu tun haben, sich gegen diesen abgefeimten Schurken zu wehren.
    Er trat die Tür am Kopfende der Treppe auf und warf Juliana auf das Bett. »Na, erinnerst du dich an diese vier Wände, meine Liebe? Das Zimmer, in dem du deine Hochzeitsnacht verbracht hast.« Den Umhang schlug er beiseite und rollte sie auf den Bauch, um ihn unter ihr wegzuziehen.
    Juliana spürte, wie ihr Nachthemd an ihren Beinen hinaufrutschte und die Luft kühl über ihre entblößten Schenkel strich. Mit einem Ruck warf sie sich auf den Rücken und versuchte, sich mit ihren verbundenen und gefesselten Händen wieder ordentlich zu bedecken.
    George schmunzelte und fummelte an dem Stoff herum. »Mir gefällt es verrutscht eindeutig besser.«
    Sie hob die Hände an den Mund in dem verzweifelten Versuch, den Knebel zu verschieben, während sie ihm hektisch mit den Augen verständlich zu machen versuchte, was sie wollte. Im Moment hatte sie nur eine Sache im Sinn.
    »Willst du etwas sagen?« Er lächelte. »Du wirst bald reichlich Gelegenheit zum Sprechen haben, meine liebe Stiefmutter, wenn du dein volles Geständnis des Mordes ablegst. Du wirst mir deine Tat schriftlich bestätigen, und dann werden wir die Richter besuchen, und dort wiederholst du deine Geschichte noch einmal in aller Ausführlichkeit.«
    Juliana schwang ihre gefesselten Beine über die Bettkante und schob die Füße rückwärts unter das Bett, um nach dem Nachttopf zu tasten. George schaute einen Moment lang dümmlich aus der Wäsche, dann grinste er erneut.
    »Ah, jetzt verstehe ich. Gestatte mir, dir zu helfen.« Er bückte sich, zog den Topf hervor und stieß ihn mit dem Fuß in die Mitte des Zimmers. »So, bitte«, sagte er gewinnend. »Ich nehme doch an, daß du zurechtkommst. Nach dem Frühstück bin ich zurück!«
    Julianas Augen schössen grüne Blitze vor Wut. Doch zumindest hatte er sie allein gelassen, um ihre Notdurft zu verrichten. Und ihre Hände waren vor ihrem Körper gefesselt, statt hinter ihrem Rücken. Es gibt doch immer etwas, wofür man dankbar sein kann, dachte sie trocken, als sie sich vom Bett erhob und zu dem Nachttopf hinüberhüpfte.
    Irgendwie schaffte sie es, sich zu erleichtern und den Nachttopf Stück für Stück wieder unter das Bett zu manövrieren. Dann hoppelte sie zum Fensterbrett und zog Bilanz. Der Knebel war so fest in ihrem

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