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Wilde Flammen

Wilde Flammen

Titel: Wilde Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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»Schon gut, Kleines, entspann dich einfach. Du wirst sehen, in null Komma nichts bist du wieder ganz in Ordnung.«
    Sie würde nie wieder ganz in Ordnung kommen. Das wusste sie jetzt schon.

11. K APITEL
    Die Wochen vergingen, und mit ihnen auch die Steifheit in Jos Arm. Die Risswunden verheilten sauber, und sogar die Narben begannen schon zu verblassen. Die inneren Wunden jedoch wollten leider nicht so einfach heilen.
    Jo hatte das Gefühl, dass etwas in ihrem Leben fehlte. Eine Art Funke oder echte Freude. Ständig kämpfte sie gegen das dumpfe Gefühl von Unzufriedenheit an, und weder ihre Arbeit noch ihre Freunde oder ihre Bücher konnten ihr die alte Lebensfreude zurückbringen.
    Sie war erwachsen geworden, war zur Frau geworden, und ihre Bedürfnisse hatten sich verändert. Zu wissen, dass Keane der Grund ihres Problems war, half ihr nicht bei der Suche nach einer Lösung. Er war am Abend ihres Unfalls abgereist und bisher, nach vier Wochen, noch nicht zurückgekehrt.
    Dreimal hatte Jo sich hingesetzt, um ihm einen Brief zu schreiben. Das schlechte Gewissen wegen ihrer scharfen Anschuldigungen ließ ihr keine Ruhe. Dreimal hatte sie den angefangenen Briefbogen frustriert zerrissen. Ganz gleich, welche Worte sie benutzte und in welcher Reihenfolge sie sie niederschrieb, es hörte sich immer ungeschickt und plump an. So klammerte sie sich an die Hoffnung, er möge ein letztes Mal zurückkommen. Denn wenn sie sich aussprechen und sich ohne Bitterkeit und Groll als Freunde voneinander trennen könnten, würde es ihr gewiss leichter fallen, diese Trennung endgültig zu akzeptieren.
    Mit dieser Hoffnung im Herzen fand sie zu einer gewissen inneren Ruhe zurück. Sie trainierte, trat in der Manege auf und erledigte die täglichen Pflichten des Zirkuslebens. Und sie wartete.
    Die Zirkuskarawane näherte sich auf ihrer Route der Stadt Chicago.
    An einem heißen Augustnachmittag stand Jo in ihrem eng anliegenden Trikot im Zirkuszelt. Sie probte jetzt jeden Tag mit den Beirot-Brüdern, um möglichst schnell wieder zu Kräften zu kommen. Inzwischen zeigte das Training schon erste Erfolge: Zum ersten Mal gelang ihr heute ein Handstandüberschlag, ohne dass die Schmerzen in ihrem Arm unerträglich wurden.
    Â»Ich fühle mich richtig gut«, sagte sie zu Raoul und drehte vor lauter Begeisterung eine Anzahl schneller Pirouetten.
    Â»Dein Arm wird nicht kräftiger, wenn du nur auf den Füßen tanzt«, spottete Raoul.
    Â»Meinem Arm geht’s gut«, hielt sie dagegen. Zum Beweis machte sie einen Handstand und winkelte ein Bein langsam an, bis sie den Fuß auf das andere Knie legen konnte. Sie rollte sich ab und kam geschmeidig auf die Füße. »Ich bin stark wie ein Ochse«, behauptete sie und vollführte einen perfekten Salto rückwärts.
    Als sie sich aufrichtete, stand sie vor Keane.
    Der Gefühlstumult, der in ihr losbrach, spiegelte sich nur kurz in ihren Augen wider. Dann hatte sie ihre Fassung wiedergefunden. »Hallo, Keane. Ich wusste gar nicht, dass du wieder da bist.«
    Kaum hatte sie den Satz über die Lippen gebracht, bedauerte Jo ihre banalen Worte. Doch andere fielen ihr nicht ein. Sehnsucht, jäh und heiß, loderte in ihr auf und erstickte jeden klaren Gedanken. Jo wollte nur eins: sich in Keanes Arme werfen und für immer dort bleiben. Das Gefühl war so stark, dass sie sich wunderte, wieso er es ihr nicht vom Gesicht ablesen konnte.
    Â»Ich bin gerade erst angekommen.« Sein Blick gab keine Regung preis. »Das ist übrigens meine Mutter. Rachel Loring, Jolivette Wilder«, stellte er vor.
    Erst jetzt nahm Jo die Frau an seiner Seite richtig wahr. Auch wenn sie ihr in einer riesigen Menschenmenge zufällig begegnet wäre, hätte Jo sofort gewusst, dass es sich um Keanes Mutter handelte. Die gleichen Gesichtszüge, nur sanfter, die gleiche Augenbrauenform. Das dunkle Haar, ohne jede Spur von Grau, hatte sie aus dem Gesicht zurückgekämmt, doch es waren ihre Augen, die Jo einen Stich versetzten. Bei keinem anderen Menschen hatte Jo solche Augen gesehen außer bei Keane.
    Rachel Loring trug ein schlichtes, elegantes Kostüm, das von Geschmack und Reichtum zeugte. Neugierig sah sie sich im Zirkuszelt um, ohne jede Spur von Zurückhaltung und Arroganz.
    Jo hatte stets angenommen, dass die Frau, die Frank verlassen und ihm seinen einzigen Sohn genommen hatte, ein hochmütiger, kalter

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