Wilde Flammen
Angesprochene zeigte nicht die geringste Regung, sein Gesicht glich einer Maske. Er griff nach der Flasche. »Oh, ich denke, sie weià genau, was sie sagt.« Es war so still, dass man hören konnte, wie Brandy in sein Glas lief. »Tu, was du tun musst, Jo«, meinte er leise, nachdem er einen Schluck genommen hatte. »Es stimmt, ich habe nicht das Recht, dir etwas vorzuschreiben. Fahr mit ihr in die Stadt«, sagte er noch zu Buck, bevor er sich wieder zum Fenster drehte.
»Lass uns gehen, Jo.« Buck stützte sie mit einem Arm und führte sie zur Tür. Als sie nach drauÃen traten, kam ihnen Rose entgegengerannt.
»Jo!« Rose war blass vor Sorge. »Ich habâs gerade erst gehört.« Sie blickte voller Entsetzen auf den Verband an Jos Arm. »Wie schlimm ist es?«
»Nur ein paar Kratzer, mehr nicht.« Um Roses Sorgen zu beruhigen, mühte sie sich ein Lächeln ab. »Buck fährt mich in die Stadt, ich brauch nur ein paar Stiche.«
Rose blickte misstrauisch drein. »Stimmt das, Buck?«
»Wohl mehr als nur ein paar Stiche«, stellte er richtig und tätschelte Roses Hand. »Aber so schlimm ist es wirklich nicht.«
»Soll ich mitkommen?« Rose lief neben den beiden her.
»Das ist lieb von dir, Rose«, antwortete Jo. »Aber das wird nicht nötig sein, danke.«
Und weil Jo lächelte, konnte Rose sich ein wenig entspannen. »Als ich es hörte, dachte ich schon ⦠nun, ich habe mir die schrecklichsten Dinge ausgemalt. Ich bin heilfroh, dass dir nichts Schlimmes passiert ist.« Sie waren bei Bucks Pick-up angelangt, Rose küsste Jo auf die Wange. »Wir alle haben dich gern, Jo.«
»Ich weiÃ.« Sie drückte Roses Hand und lieà sich von Buck auf den Beifahrersitz helfen.
Sobald der Wagen sich in Bewegung setzte, legte Jo den Kopf an die Kopfstütze und schloss die Augen. So erschöpft und ausgelaugt hatte sie sich in ihrem ganzen Leben noch nicht gefühlt.
»Tutâs sehr weh?« Buck fuhr vom Zeltplatz auf die asphaltierte StraÃe.
»Ja.« Damit meinte sie beides, Arm und Herz.
»Sobald ein Arzt sich um dich gekümmert hat, fühlst du dich besser.«
Jo erwiderte nichts darauf. Manche Wunden heilten nie. Oder wenn sie heilten, dann blieben Narben zurück, die urplötzlich wieder wehtun konnten.
»Du hättest nicht so auf ihn losgehen sollen.« Der leichte Tadel in Bucks Stimme war nicht zu überhören.
»Und er hätte sich nicht einmischen sollen«, gab sie sofort zurück. »Was ich mit meinen Tieren mache, geht ihn nichts an. Und was ich tue, kann ihm auch egal sein.«
»Was ist nur los mit dir? Du bist nicht du selbst â so hart.«
Sie blickte auf. »Hart? Ich? Und was ist mit ihm? Hätte er nicht zumindest einen Hauch von Mitgefühl zeigen können? Er hat mich behandelt, als hätte ich ein Verbrechen begangen!«
»Jo, der Mann war völlig schockiert und besorgt. Du betrachtest die Sache nur von deiner Seite.« Buck kratzte sich nachdenklich den Kopf und seufzte schwer. »Du weiÃt ja nicht, wie es ist, drauÃen vor dem Käfig zu stehen, wenn jemand, an dem einem liegt, da drinnen ist und dem Tod ins Auge sieht. Ich hätte ihn fast k. o. schlagen müssen, damit er nicht in den Käfig zu dir rennt. Es hat reichlich Ãberzeugungsarbeit gekostet, ihm klarzumachen, dass er dich dadurch nur noch mehr in Gefahr bringen würde. Er hatte Angst um dich, Jo. Wir alle hatten Angst um dich.«
Jo schüttelte den Kopf. Sie war sich sicher, dass Buck übertrieb, weil er sie beruhigen wollte. Aber so leicht lieà sie sich nicht hinters Licht führen. Keane war wütend gewesen, aber ganz bestimmt nicht aus Sorge um sie. »Du hast doch selbst gesehen, wie er mich behandelt hat, Buck. Seine Reaktion war ganz anders als deine. Du hast mich nicht angeschrien, du warst nicht kalt und grob zu mir.«
»Die Menschen reagieren nun mal alle unterschiedlich.«
Er wollte noch mehr sagen, aber Jo fiel ihm ins Wort: »Ich weià auch, dass er mir nichts Böses wünscht, Buck. Ich sage ja nicht, er sei herzlos oder gemein.« Seltsam, von einer Sekunde auf die andere lösten sich aller Ãrger und alle Angst auf und lieÃen sie leer und ausgepumpt zurück. »Bitte, ich möchte nicht mehr darüber reden.«
Buck hörte die Erschöpfung aus ihrer Stimme heraus und tätschelte ihre Hand.
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