Wilde Flammen
galoppierte in die Manege. Applaus brandete auf für die zierliche Frau im schwarzen Cape mit den fliegenden schwarzen Haaren, auf denen ein Strassdiadem saÃ.
Jo lieà die Dressurpeitschen knallen und ritt einmal um die Manege, dann glitt sie vor dem Eingang zum Käfig vom Rücken der Stute und zog sich mit einer schwungvollen Handbewegung das Cape von den Schultern, während Babette zum Bühnenvorhang zurückgaloppierte und dort von einem Helfer in Empfang genommen wurde.
Jos Kostüm war ein eng anliegendes weiÃes Trikot, besetzt mit unzähligen goldenen Pailletten. Das lange schwarze Haar, das ihr offen über den Rücken fiel, bildete einen dramatischen Kontrast.
Es muss ein echter Auftritt sein. Das waren immer Franks Worte gewesen. Und Jo machte ihren Auftritt.
Die zwölf GroÃkatzen saÃen bereits auf ihren blau-weiÃen Hockern rund um den Gitterkäfig. Für das Publikum sah es nach Routine aus, wenn der Dompteur den Hauptkäfig betrat. Doch Jo wusste, es war der kritischste Moment der ganzen Show. Sie musste zwischen zwei erhöht sitzenden Katzen hindurchlaufen, deshalb positionierte sie immer ihre beiden zahmsten Löwen auf diesen Hockern. Doch sollte einer von ihnen gereizt oder auch nur in Spiellaune sein, konnte er mit der Pfote nach ihr schlagen. Selbst bei eingezogenen Krallen konnte sie dann verletzt werden, wenn nicht sogar noch etwas Schlimmeres passierte.
Schnell ging Jo durch die Tür in den Käfig hinein und war jetzt eingekreist von ihren Raubkatzen. Das Scheinwerferlicht brach sich in den Pailletten ihres Kostüms und in den Strasssteinen der Tiara. Tanzende Lichtreflexe erschienen auf dem goldenen Fell der Tiere. Jo knallte mit der Peitsche, nur für den Effekt, denn es war ihre Stimme, der die Katzen gehorchten.
Ohne Unterbrechung zeigte Jo einen Dressurakt nach dem anderen; sie mochte keinen Stillstand in ihrer Show, wo sie sich auf Willenskämpfe mit dem Tier einlieÃ. Sie wollte ein Bild malen, wollte die kraftvolle Eleganz der Katzen herausstellen, nicht deren Gefährlichkeit. Das Publikum sah nur die spielerische Mühelosigkeit, mit der Jo mit den Tieren umging. In Wahrheit jedoch war jeder Muskel in ihrem Körper angespannt. Sie war so auf die Raubkatzen konzentriert, dass sie die vielen Menschen gar nicht wahrnahm.
Sie stand in der Mitte der Manege, während die groÃen Katzen über sie hinwegsprangen. Der Luftsog bewegte ihr Haar. Auf ihr leises Kommando hin brüllten die Löwen, ab und zu schlug eines der Tiere sogar nach dem Peitschenstock, und Jo musste es mit einem scharfen Ruf ermahnen. Sie schickte ihren besten Springer durch einen brennenden Reifen, lieà ihren besten Balancierer auf einem groÃen silbernen Ball durch das Zirkusrund laufen. Und sie genoss den Applaus, der sie begleitete, als sie auf Merlin zur Manege hinausritt.
Am Hinterausgang sprang Merlin in seinen Käfigwagen. Pete schob den Sicherheitsriegel vor. »Perfekte Show«, gratulierte er Jo und reichte ihr den flauschig warmen Bademantel. »Alles mal wieder bestens gelaufen.«
»Danke.« Hastig wickelte sie sich in den Bademantel. Die Frühlingsnacht war frisch, vor allem nach den heiÃen Scheinwerfern dort im Zelt. »Hör zu, Pete, sag Gerry, dass er den Tieren ihr Futter später geben kann. Heute sind sie alle brav.«
Pete blies sein Kaugummi auf und lieà die Blase platzen. »Das wird den Jungen in Hochstimmung versetzen«, gluckste er vergnügt.
Als er in den Truck steigen wollte, um den Wagen zu den anderen Löwenkäfigen zurückzufahren, rief Jo ihm nach: »Pete. Du behältst ihn aber im Auge, ja?«
Grinsend kletterte Pete in die Fahrerkabine. »Um wen hast du Angst, Jo? Um deine groÃen Katzen oder um den mageren Jungen?«
»Um beide«, antwortete sie lachend. Die Strasssteine blitzten, als sie den Kopf zurückwarf. Ihr blieb noch eine gute Stunde, bevor alle Artisten sich zur abschlieÃenden Verbeugung in der Manege versammelten. Sie würde ins Küchenzelt gehen und sich einen Kaffee genehmigen.
Auf dem Weg dorthin ging sie in Gedanken noch einmal Schritt für Schritt ihre Vorstellung durch. Ja, es war gut gelaufen. Und wenn Pete sagte, dass die Show perfekt gewesen war, dann war sie das auch gewesen.
In den letzten fünf Jahren hatte sie sich mehr als einmal Petes Kritik anhören müssen. Zugegeben, Hamlet hatte ihr hin und wieder Probleme
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