Wilde Glut - Singh, N: Wilde Glut
eine Rolle spielte. Denn ihre Wölfin wollte nicht schneller sein, das hätte sie nur verwirrt. Der Hauptgrund war jedoch, dass er an sich schneller war als sie.
Aber er musste sich anstrengen, das war wichtig. Eine Offizierin musste ihren Leitwolf ab und zu herausfordern – so wie es die Aufgabe des Leitwolfs war, sich um sein Rudel zu kümmern. Sie rannten bis zur Erschöpfung, flogen über Steine und umgestürzte Baumstämme, Zweige zerkratzten ihre Arme, strichen nur um Haaresbreite an ihren Gesichtern vorbei, der kalte Wind biss in ihre Haut.
Die Wölfin ergötzte sich am Rausch der Geschwindigkeit, dem wilden Pumpen des Herzens, der Lust, mit einem Rudelgefährten zu jagen. Erst als sie eine Kammspitze erreicht hatten, auf der sie nur Stille umgab und sich unter ihnen ein grüner, weißer und wasserblauer Teppich erstreckte, blieb die Wölfin seufzend stehen. Hawke hatte die Hände auf die Knie gestützt, seine Brust hob und senkte sich heftig, und die Haut glänzte vor Schweiß.
Der Wolf grinste sie an, die eisblauen Augen strahlten. Sie grinste zurück und ließ sich auf den Rücken ins schneebedeckte Gras fallen, es war wie ein kühler Kuss auf ihrer erhitzten Haut. Der Himmel war fantastisch klar und blau. Hawkes weit hellere Augen blickten neugierig, er hatte den Kopf sehr wölfisch zur Seite geneigt.
Sie schnappte nach ihm.
Er lachte, entspannte sich und legte sich neben sie, nahm freundschaftlich ihre Hand. »So«, sagte er und knurrte fast.
»So«, gab sie zur Antwort, die Wölfin strich zufrieden in ihr herum.
Hawke stützte sich auf dem Ellbogen auf und beugte sich über sie, biss ihr in die Unterlippe.
Diese Augen und die silbriggoldene Mähne hätte sicher manche Frau dazu gebracht, das als Annäherung zu verstehen. Aber sie war eine Wölfin, sie wusste, wenn ihr Leitwolf so etwas tat, hatte es eine andere Bedeutung.
Finster rieb sie sich die Lippe. »Was habe ich denn verbrochen?« Denn der Biss war eine Rüge, spielerisch zwar, aber trotzdem ernst gemeint.
Hawke tippte mit dem Zeigefinger an ihre Nasenspitze. »Deine Wölfin ist in Schwierigkeiten. Warum bist du damit nicht zu mir gekommen?«
»Es ist nichts«, sagte sie und schob ihn fort, als er Anstalten macht, sie ein zweites Mal zu beißen. Er war der Leitwolf, aber sie war immerhin eine dominante Wölfin. »Richtigstellung: Es gibt schon etwas, aber ich brauche deine Hilfe nicht.« Drew war allein ihr Problem, und sie würde damit schon fertigwerden.
Hawke stützte sich erneut auf und bedachte sie mit einem sengenden Blick. Der Wolf war bei ihm näher an der Oberfläche als bei anderen Männern des Rudels, und sie war eine der wenigen, die wusste, warum das so war. Sie fasste ihm ins Haar und zog seinen Kopf zu sich, bis sich ihre Nasen fast berührten. »Nicht nur ich habe ein Problem.«
Er knurrte. Sie ließ ihn die Krallen spüren. Eisblaue Augen starrten sie an. »Du weißt doch, was los ist«, sagte er schließlich mit so tiefer Stimme, dass sie ihn kaum verstand. Er rollte sich weg und drehte sich auf den Rücken, eine Hand hinter dem Kopf verschränkt.
Natürlich wusste Indigo das. »Sie ist jetzt wesentlich älter als zu dem Zeitpunkt, als sie zu uns kam.«
Hawke erwiderte nichts. Das musste er auch nicht, seine Anspannung war deutlich zu spüren.
»Niemand wird etwas dagegen haben, wenn du – «
Plötzlich war Hawke wieder über ihr und ganz der Wolf. »Riley hat sehr deutlich zu verstehen gegeben, dass sie tabu ist.«
Indigo wusste, dass ihr Offizierskamerad das gesagt hatte, weil Sienna einerseits zu seiner Familie gehörte und er sie beschützen musste, andererseits aber auch noch Zeit gebraucht hatte, um zu sich selbst zu finden, damit sie stark genug war, um sich gegen Hawke behaupten zu können.
»Damals stimmte das auch.« Sie strich ihm durchs Haar, denn er brauchte ihre Berührung. »Jetzt … ist sie stärker. Damit meine ich nicht, dass sie den ganzen Hawke ertragen kann.« Die Wölfin fletschte die Zähne, als er knurrte. »Aber ein bisschen von ihm schon.« Das zeigte deutlich, was Indigo von Sienna Lauren hielt, denn es gab ihrer Meinung nach nur wenige Frauen, die mit Hawke zurechtkommen würden.
Die Tatsache, dass an der Spitze der Liste nun eine bald neunzehnjährige Abtrünnige des Medialnet stand, war zwar sehr überraschend, aber das hieß noch lange nicht, dass sie das Thema fallen lassen konnten in der Hoffnung, es würde sich von selbst erledigen. Vor allem, da dieses Mädchen offenbar
Weitere Kostenlose Bücher