Wilde Glut - Singh, N: Wilde Glut
zwar heute Nacht.«
Indigo warf ihm einen strafenden Blick zu, aber er ahnte ihr Lächeln dahinter. »Was hältst du von meiner Tante?«
»Genau wie du, nur ein wenig älter«, sagte er ehrlich. »Ihr tödlicher Blick ist perfekt.«
Indigo legte ihm die Hand auf die Schulter. »Gib mir noch ein paar Jahre.«
Es war ein schöner Gedanke, ihr dabei zuzusehen, wie sie immer mehr sie selbst wurde, zufrieden verfolgte er die Gespräche. Erst nach einer Weile begriff er, dass er trotz seiner unbestreitbaren Fähigkeiten, in jeder Situation auch das Ungesagte zu erspüren, etwas übersehen hatte. Martin und Adria waren nicht beide sauer aufeinander – nur einer von ihnen.
Adria legte ihre Hand auf Martins Arm … und er schüttelte sie ab. Auf ihrem Gesicht zeigte sich großer Schmerz, bevor sie ihre Schilde wieder hochgefahren hatte und kühl und beherrscht um sich blickte.
Andrew musste schwer an sich halten, um Martin nicht dafür zu schlagen, dass er eine starke Frau so behandelte. Da fiel ihm noch etwas anderes ein; als Martin betont forsch als Erster den Raum betreten hatte, hatte er gesagt: »Der Stärkere kommt zum Schluss, nicht wahr?«
Zuerst hatte Andrew es für einen Scherz zwischen Liebenden gehalten, aber je länger er darüber nachdachte … »Wer ist der Dominantere von beiden?«, fragte er Indigo leise und spürte einen kalten Schauer. »Adria, nicht wahr?«
30
Indigo wurde ganz starr. »Das siehst du doch.«
Da wurde ihm klar, dass es nicht leicht werden würde, den Eindruck auszulöschen, den diese kranke Beziehung bei Indigo hinterlassen hatte; doch vorerst musste er das Thema ruhen lassen, denn endlich kam auch Abel von der Arbeit nach Hause – er koordinierte die landesweite Ausbildung aller Wolfssoldaten.
Zuerst küsste er seine Frau. Dann tippte er sich mit dem Finger auf die Wange, damit seine Tochter ihn küsste. Danach umarmte er Adria und gab Martin die Hand. Schließlich begrüßte er Andrew … und nahm ihn zu einem ›kleinen Schwatz‹ mit nach draußen.
»Ich will ganz ehrlich sein«, sagte Abel, als sie mit ihren Gläsern in der kalten Abendluft standen. »Indigo ist eine erwachsene Frau. Sie trifft ihre eigene Wahl.«
Abel schien auf eine Antwort zu warten, also sagte Andrew: »Ja, Sir.« Mit Adria hatte sein Wolf keine Schwierigkeiten gehabt, aber bei Abel war er auf der Hut. Was nichts mit Abels Rang im Rudel zu tun hatte, denn da stand Andrew über ihm, sondern mit der Hierarchie in der Familie.
Abel trank einen Schluck Whiskey. »Ich habe mich umgehört.«
Andrew wartete.
»Die Frauen mögen dich.« Die grauen Augen, die seine jüngste Tochter geerbt hatte, leuchteten intensiv.
»Um meine Treue musst du dir keine Sorgen machen«, sagte Andrew, denn er wollte nicht, dass es in dieser Hinsicht Missverständnisse gab. »Ich will keine andere als Indigo.«
»Das weiß ich«, sagte Abel überraschenderweise. »Als ich Tarah zum ersten Mal traf, habe ich sie genauso angesehen wie du jetzt Indigo.« Er lachte. »Tue ich übrigens immer noch.«
Andrew fühlte, wie seine Spannung nachließ.
Zu früh, wie er gleich darauf feststellen musste.
»Aber eines solltest du dir merken«, sagte Abel in dem gleichen warmen Ton. »Wenn du ihr wehtust, breche ich dir alle Knochen im Leib. Und zwar jeden einzelnen gleich zweimal.«
Nachdem er sowohl Abel als auch das Abendessen überstanden hatte, ging Andrew in die Küche zu Tarah, die gerade den Kuchen schnitt. »Tarah?«
Statt einer Antwort hielt sie ihm ein Stück vor den Mund. »Ja, bitte?«
Er biss ab und kaute genießerisch, Brandy und Schokolade, einfach köstlich. »Willst du mich heiraten?«
Sie zwinkerte ihm lächelnd zu. »Was willst du wirklich wissen, mein Süßer?«
Er war hingerissen von ihr und ihrer Aufrichtigkeit und verlor keine Zeit damit, ihr etwas vorzuspielen. »Deine Schwester ist sehr viel jünger als du.«
»Ich war fast zwanzig, als unsere Eltern eine freudige Überraschung erlebten.«
Andrew dachte nach: Gestaltwandler waren nicht so fruchtbar wie Menschen, so etwas geschah sehr selten. »Muss ein ziemlicher Jubel gewesen sein.«
Tarah hatte den Kuchen auf ein Tablett gestellt und forderte ihn mit einer Handbewegung auf, Tassen und Teller aus dem Oberschrank zu holen. »Allerdings«, sagte sie und nahm ihm das Geschirr ab. »Alle dachten, ich würde eifersüchtig sein, aber für mich war sie die süßeste, liebste Schwester, die es nur geben konnte.« Sie lachte leise. »Wann immer es ging, habe ich
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