Wilde Magie - Wilde Magie - Fever / Wild Rain
Geschichte über Affen und Malaienbären, die er sich aus dem Stegreif ausdachte. Sie ergab überhaupt keinen Sinn; eigentlich war sie sogar ziemlich schrecklich und verriet, dass er keinerlei Fantasie hatte, doch Rachael lag ganz still und fiel schließlich in einen
unruhigen Schlaf, und das war alles, was für Rio zählte. Wenn diese Frau jeden Abend etwas erzählt bekommen wollte, musste er sich eben auf die Schnelle einige neue Fähigkeiten zulegen und lernen, interessante Geschichten zu erfinden.
Er seufzte und ließ mit seinem Atem ihre Locken tanzen. Was dachte er sich bloß dabei, darauf erpicht zu sein, ihr Gute-Nacht-Geschichten zu erzählen? Das war ja lächerlich, unvorstellbar, dass er sich so etwas wünschen sollte. Eine eigene Frau? Wozu denn? Um mit ihr zusammen ein Haus tief im Wald zu teilen? Und dazu ein höchst gefährliches Leben? Er wusste doch gar nichts über Frauen. Sie musste so schnell wie möglich aus seinem Leben verschwinden.
Rachael sprach leise in ihrem unruhigen Schlaf. Ein schwacher Protest gegen die Alpträume, die sie quälten. Rio redete sanft auf sie ein, flüsterte irgendwelchen Unsinn, und ignorierte die Sehnsucht, die sich in sein Herz stahl. Genau wie er die seltsamen Erinnerungen ignorierte, die ihm kamen, und das Verkrampfen seiner Muskeln. Trotz der körperlichen Erschöpfung arbeitete sein Verstand fieberhaft. Nicht einmal die vertrauten Geräusche des Dschungels konnten ihn beruhigen.
Rio lauschte Rachaels Atemzügen und bei dem Gedanken, dass sie an Blutvergiftung sterben könnte, schnürte ihm die nackte Angst die Luft ab. Ihre Haut glühte. Er badete sie in kühlem Wasser und ließ die Tür offen stehen, ein Moskitonetz hing im Türrahmen und ein anderes war um das Bett drapiert. Dann löschte er die Laterne, damit die Insekten draußen blieben.
Der Regen fiel nach wie vor in einem gleichmäßigen Rhythmus, bis etwa eine Stunde später die zweite Gewitterfront
aufzog. Sie wütete mit solcher Kraft, dass der Regen sogar das dichte Blätterdach durchdrang. Rio glitt aus dem Bett und schlich durch das Zimmer, um die Tür zu schließen. Lange Zeit stand er einfach nur da, starrte in die Dunkelheit hinaus und atmete den Duft des Regens ein, lauschte dem Ruf der Wildnis. Ein Chor männlicher Frösche stimmte mit einem schrägen, fröhlichen Paarungsgesang in den Lockruf des Waldes mit ein. Einen Herzschlag lang gewann das Wilde in ihm die Oberhand, die Sehnsucht, sich zu verwandeln und einfach zu flüchten, wollte sich in ihm Bahn brechen. Doch der Lockruf der Frau war stärker. Seufzend schloss Rio die Tür, fest entschlossen, Wind und Regen auszusperren. Und mit ihnen all die verführerischen Laute seiner Welt. Er legte sich wieder ins Bett, zog ein dünnes Laken über sich und Rachael, schlang die Arme um sie und presste sich an sie. Er war völlig erschöpft, doch es dauerte eine Weile, bis sein Körper und sein Geist sich entspannen konnten. Mit einem Messer unter dem Kissen und einer Frau in den Armen sank er in den Schlaf.
4
S ie hatte lauter Alpträume. Einen nach dem anderen. Rachael lebte in einer Hölle voller Schmerzen, in der nichts Sinn machte, außer einer leisen Männerstimme, die beruhigend auf sie einredete. Die Stimme war wie eine Rettungsleine, die sie aus dieser Dunkelheit herauszog, in der Fänge und Klauen sie zerfleischten, ihr Kugeln um die Ohren pfiffen und in Körper einschlugen, wo Blut floss und grässliche Kreaturen ihr auflauerten.
Schatten bewegten sich durch den Raum. Die Schwüle war erdrückend. Sie hörte eine Katze schnaufen. Eine andere antwortete mit einem heiseren Knurren. Die Geräusche kamen ganz aus der Nähe, kaum zwei Meter von ihr entfernt. Jeder Muskel in ihrem Körper zuckte zusammen vor Schreck, was die Schmerzen in ihrem Bein noch verschlimmerte. Sie konnte nur den Kopf drehen und dabei nicht genug vom Zimmer erkennen, um die Quelle dieser wilden, katzenartigen Laute zu entdecken.
Gelegentlich wehte der Wind eine kühle Brise durch den Raum und über sie hinweg. Und immer regnete es. In einem unablässigen, gleichmäßigen Rhythmus, der Rachael gleichzeitig beruhigte und irritierte. Unfähig, das Bett zu verlassen, kam sie sich wie eine Gefangene vor. Es war klaustrophobisch. Außerdem fand sie es beschämend, bei jeder Kleinigkeit auf einen Mann angewiesen
zu sein, insbesondere wenn man die meiste Zeit gar nicht genau wusste, wer er wirklich war. Manchmal, wenn die alptraumhaften Bilder von einem Menschen,
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