Wilde Magie - Wilde Magie - Fever / Wild Rain
der die Gestalt eines Leoparden annahm, wieder und wieder vor ihrem geistigen Auge abliefen, hielt sie sich für verrückt. Es gab aber auch Momente, in denen sie den Mann kannte, in denen sie voller Liebe und Zärtlichkeit war, und andere Momente, in denen sie in das katzenhafte, furchterregende Gesicht eines Fremden blickte und ihr Herz vor Angst laut klopfte. Sie wusste nie, wie viel Zeit vergangen war. Manchmal war es Tag, dann wieder Nacht, das Einzige, worauf sie zählen konnte, war die Stimme, die sie durch die Alpträume begleitete und ihr den Weg zurück in die Realität wies.
Rachael starrte blicklos an die Decke und versuchte, die Angst vor den zwei unsichtbaren Wildkatzen in ihrer Nähe zu unterdrücken. Wieder bewegte sich ein Schatten, diesmal vor dem Fenster, draußen auf der Veranda. Ihr Herz schlug schneller. Der Holzboden knarzte.
Aus den Augenwinkeln sah Rio, dass Rachael dabei war, seitwärts aus dem Bett zu fallen. Er sprang sofort zu ihr hin und hielt sie fest. »Was machst du denn da?« Die Angst ließ seine Stimme hart klingen.
Rachael schaute ihn mit großen Augen an und umklammerte seine Arme. »Sie sind da. Er hat sie geschickt, damit sie mich umbringen. Ich muss hier raus.« Sie wandte den Kopf und starrte entsetzt in eine Ecke. »Sie sind da vorn.«
Was immer sie sah, für sie war es wirklich da. Sie war so erregt, dass Rio ein Schauer über den Rücken rieselte. »Schau mich an, Rachael.« Er nahm ihr Gesicht in beide Hände und zwang sie, sich wieder auf ihn zu konzentrieren. »Ich lass nicht zu, dass man dir etwas antut. Das ist
bloß das Fieber. Deshalb siehst du Dinge, die gar nicht da sind.«
Rachael blinzelte, und ihre glänzenden Augen begannen, sich auf ihn zu fokussieren. »Aber ich hab sie gesehen.«
»Wen denn? Wer will dich umbringen?« Das hatte Rio sie schon ein Dutzend Mal gefragt, doch nie gab sie ihm eine Antwort. Auch diesmal blieb sie stumm und versuchte, den Kopf abzuwenden. Doch er hielt ihr Gesicht in den Händen und zwang sie, ihm in die Augen zu schauen.
»Du hast die schönsten Augen, die ich je gesehen habe. Dazu deine langen Wimpern. Warum haben Männer eigentlich immer so wunderschöne Wimpern?«
Die Art, wie sie ihn immer wieder aus dem Gleichgewicht brachte, ärgerte ihn manchmal so sehr, dass er sie am liebsten geschüttelt hätte. »Was redest du nur für dummes Zeug?«, erwiderte Rio. »Schau mich doch an, Weib. Ich bin voller Narben, und meine Nase ist zweimal gebrochen. Ich sehe aus wie ein gottverdammter Killer, nicht wie ein hübscher Junge.« Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, bereute er sie auch schon. Gottverdammter Killer hing in der Luft zwischen ihnen. Er biss die Zähne zusammen, fluchte innerlich und versuchte, dem Blick ihrer riesengroßen Augen auszuweichen.
»Rio?« Rachaels Stimme klang sanft. »Ich sehe den Schmerz in deinen Augen. Ist das meine Schuld? Habe ich dich irgendwie gekränkt? Ich möchte niemandem wehtun, am allerwenigsten dir. Habe ich etwas Falsches gesagt?«
Rio strich sich mit den Fingern durch das zerzauste Haar. »Ausgerechnet jetzt hast du einen lichten Augenblick, das war ja klar. Wie machst du das bloß, Rachael? Vor zwei Sekunden warst du noch so durcheinander, dass du nicht einmal deinen Namen wusstest.«
Rio wirkte so verletzt, dass es ihr das Herz zerriss. »Hat irgendjemand behauptet, du wärst ein Mörder?«
Ihr Blick glitt langsam über sein Gesicht, Zentimeter um Zentimeter - nichts entging ihr. Rio war ganz sicher, dass sie bis auf den Grund seiner Seele schauen konnte. Dorthin, wo der grimmige Zorn schwelte, den er normalerweise tief verborgen hielt, der sich jetzt aber in dem wütenden Ausbruch unaufhaltsam Bahn brach. Sie hätte Angst vor ihm haben sollen. Zumindest hatte er Angst vor sich selbst, denn er wusste, was er im Zorn anrichten konnte. Doch Rachaels Gesichtsausdruck war mitleidig, ja fast liebevoll. Sie hob die unversehrte Hand, fuhr ihm mit den Fingern über Lippen und Hals, schlang die Hand um seinen Nacken und streichelte seinen Kopf. Was bot sie ihm damit an? Liebe? Ihren Körper? Zärtlichkeit?
Er schenkte seinem ersten Impuls, ihre Hand wegzustoßen, keine Beachtung. Diesen Blick konnte er nicht ertragen. Also nahm er ihre Hand und drückte sie an seine nackte Brust, auf sein wild hämmerndes Herz. »Du weißt doch gar nichts von mir, Rachael. Du solltest mich nicht so ansehen.« Er wusste nicht genau, was er fühlte, es war eine Mischung aus Ärger und Qual, zusammen mit
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