Wilde Magie - Wilde Magie - Fever / Wild Rain
sich mit seinem ganzen Gewicht auf ihre Hüften, holte einmal tief Luft und hielt dann die heiße Klinge auf das offene Fleisch. Der Gestank war widerlich. In aller Ruhe, um ja keinen Fehler zu machen, säuberte er die Wunde sorgfältig, ehe er sie wieder schloss und das Bein schiente, damit es ruhig gehalten wurde und besser heilen konnte.
Er traute sich kaum, Rachael anzusehen, während er das Bettzeug reinigte und ihr Decken ums Bein packte, um es zu fixieren. Sie hatte sich schon längere Zeit nicht mehr gerührt, ihr Atem ging flach, und ihre Haut fühlte sich klamm an. Rachael erschauerte unter seiner Berührung, sie hatte definitiv einen Schock erlitten. Rio fluchte leise. Dann stieg er ins Bett, legte sich neben sie und zog sie an sich. Ihm fiel einfach nichts Besseres ein.
»Rio?« Rachael wich nicht etwa vor ihm zurück, sondern schmiegte sich trostsuchend an ihn wie ein kleines Kätzchen. »Danke, dass du versucht hast, mein Bein zu retten. Ich weiß, dass dir das schwergefallen ist.« Ihre Stimme war so dünn, dass er sie kaum verstehen konnte.
Rio strich ihr mit dem Kinn übers Haar und pustete gegen die Strähnen, die sich in seinem Dreitagebart verfingen. »Versuch, dich zu entspannen. Ich kann dir jetzt eine ganze Weile keine Schmerzmittel mehr geben. Lass mich dich einfach halten.« Er schlang seine Arme fester um sie, sie gehörte ihm. Gleichzeitig schien ein Schraubstock
sich fest um sein Herz zu legen. »Ich werde dir eine Geschichte erzählen.«
Sie passten perfekt zusammen - haargenau. Sie lagen nebeneinander wie Löffelchen, Rachaels Pobacken in seine Lenden geschmiegt, ihr Kopf in seiner Halsbeuge geborgen, und ihre Körper fügten sich so nahtlos ineinander, als wären sie füreinander geschaffen worden. Ihre Brüste waren voll und weich und drückten wohlig gegen seine Arme. Er hatte schon früher so mit ihr gelegen. Nicht einmal, sondern oft. Die Erinnerung an ihren Körper hatte sich ihm unauslöschlich eingeprägt, in sein Gedächtnis und in sein Fleisch.
Er rieb seine Wange an ihrem dichten, seidigen Haar. Es war nicht nur die körperliche Anziehungskraft. Er fühlte etwas für sie. Erwachte erst bei ihr zum Leben. »Das muss nicht unbedingt etwas Gutes heißen«, murmelte er. »Das weißt du hoffentlich, oder?«
Rachael lag mit geschlossenen Augen da. Sie wollte, dass ihr Körper aufhörte zu zittern und dass der Schmerz nachließ, wenigstens für kurze Zeit, damit sie wenigstens eine Weile lang normal atmen konnte. Rio war der Rettungsanker, an den sie sich klammerte, das einzige Stück Wirklichkeit, das ihr blieb. Sobald sie die Augen zumachte, sah sie Männer, die sich verwandelten, denen ein Fell wuchs und die sie aus wilden gelb-grünen Augen anstarrten. Dann hörte sie in diesem Alptraum Schüsse fallen, und sie spürte, wie sie getroffen wurde. Sie blickte in genau jene intelligenten Augen und las darin Schmerz und Wut. Und dann hörte sie, wie seine Stimme Nein rief. Das war alles. Nur Nein .
»Lass mich deine Stimme hören.« Sie musste sie einfach hören, denn sie bannte die Dämonen und vertrieb
den Geruch von Schießpulver und Blut. Und Rachael liebte ihr dunkles, anheimelndes Timbre.
»Ich habe kein großes Repertoire, Rachael. Mir hat nie jemand Gute-Nacht-Geschichten erzählt.« Die Schroffheit in seiner Stimme erschreckte ihn selbst. Es war einfach dieses Gefühl, dass Rachael ihn weichwerden ließ und es ihm so schwerfiel, in ihr noch eine mögliche Auftragsmörderin zu sehen. Er glaubte fest an die Kraft der Vernunft, und Rachaels Wirkung auf ihn hatte nichts mit Vernunft zu tun.
»Sobald es mir bessergeht, erzähle ich dir eine«, versprach Rachael.
Rio schloss die Augen. Sie war wie ein Geschenk, das in seine unerbittliche, gewalttätige Welt geschickt worden war. »In Ordnung«, sagte er, um ihr eine Freude zu machen. »Aber versuch jetzt zu schlafen. Je mehr du schläfst, desto schneller wir dein Bein wieder gesund.«
Doch Rachael hatte Angst vor dem Einschlafen. Angst vor Zähnen und Krallen und dem allgegenwärtigen Schmerz. Angst, den letzten Bezug zur Realität zu verlieren. Selbst ohne zu schlafen vergaß sie schon andauernd, wer Rio war. Er kam ihr bekannt vor. Und seine Stimme war vertraut, doch an ihr gemeinsames Leben konnte sie sich nicht erinnern. Wenn er mit ihr sprach, ließ sie sich vom Klang seiner Stimme einlullen. Und wenn seine Hände über ihre heiße Haut glitten, fühlte sie sich sicher und geborgen.
Rio erzählte ihr eine absurde
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