Wilde Rosen: Roman (German Edition)
die Schubladen, die er unter den Kojen einbauen wollte.«
May lachte leise. Jethro war Schreiner und arbeitete oft mit Jed zusammen. Er machte absolute Präzisionsarbeit, aber das dauerte seine Zeit. Außerdem war er so gutmütig, daß er jedem half, der ihn fragte, und die Arbeit auf seinem eigenen Boot jedesmal stehen und liegen ließ.
»Wenn ihr Mädchen euch nützlich machen wollt, stellt euch achtern ans Ruder. Dahinten könnten wir ein bißchen Gewicht gebrauchen, damit das restliche Wasser herausläuft.«
Die Frauen wechselten im Licht der Taschenlampe einen Blick und gingen dann ans Heck des Bootes. May lag es auf der Zunge anzuregen, die Männer sollten sich lieber hier hinstellen, da sie doch schwerer waren, während sie und Debra die Pumpe bedienten, aber sie konnte sehen, daß Debra erschöpft war, und lehnte sich neben ihr ans Ruder.
»Die Rose leckt nie, oder?« fragte Debra.
May schüttelte den Kopf. »Knochentrocken.«
»Wie kommt es dann, daß ausgerechnet du die einzige von uns allen bist, die eine Pumpe hat?«
May lachte. »Als ich die Rose gekauft hab’, hat mein Vater mir die Pumpe zur Einweihungsparty geschenkt. Er ging davon aus, daß alle Boote undicht sind.«
»Die meisten ganz sicher«, brummte Debra. »Vermutlich werden wir eines schönen Tages hier im Hafen sinken.«
»Vor einem Monat hätte ich gesagt, daß Mike alles tun würde, um das zu verhindern. Aber jetzt bin ich nicht mehr so sicher«, sagte May.
»Du hast recht. Er hat sich verändert. Wenn ein Boot sinken würde, wär’ ihm das ein willkommener Vorwand, es aus dem Hafen schleppen zu lassen. Komm, laß uns reingehen. Ich muß irgendwie einen Schlafplatz für die Kinder schaffen.«
»Ich geh’ nachsehen, wie’s mit dem Pumpen steht, und dann schau ich bei Harriet vorbei. Aber ich bin sicher, sie genießt Junos Gesellschaft.« May trat von hinten an die Traube von Männern, die Jethro umstanden und ihm Ratschläge gaben. Sie wollte gerade fragen, wie es voranging, als sie merkte, daß ihr das Wasser bis zu den Knöcheln stand. Also fragte sie statt dessen: »Kann ich irgendwas tun?«
»Die Pumpe schafft es nicht. Das Leck ist viel größer als sonst.« Jethro klang nervös. »Du wirst in Mikes Schuppen einbrechen und seine Pumpe holen müssen, May.«
»Oh, vielen Dank. Und warum ausgerechnet ich?«
»Du bist leichter als jeder von uns. Wir können dich über den Zaun heben.«
Die Idee war nicht besonders reizvoll. »Wäre es nicht besser, irgendwas gegen das Leck zu tun, statt nur das Wasser rauszupumpen?«
»Das ist nicht so einfach«, meinte Jed.
»Irgendwas mußt du jedenfalls tun«, bemerkte Ivan mit der unverhohlenen Zufriedenheit eines Mannes, dessen eigenes Boot flott ist. »Sonst wird sie absaufen.«
Mays Pumpe saugte sich das Herz aus dem Leib, aber der Wasserpegel stieg weiter. Debra erschien.
»Ich sollte wohl besser ein paar Sachen zusammensuchen, die wir mitnehmen müssen«, sagte sie ergeben. Aber May wußte, sie fühlte sich nicht so gelassen, wie sie klang.
May räusperte sich. »Es hört sich vielleicht total blöd an. Aber ich hab’ mal was gelesen, was wir vielleicht versuchen könnten.«
»Komm schon, sag’s uns«, verlangte Jethro. »Und wenn es nichts nützt, mußt du über den Zaun.«
»Na ja, was diese Leute getan haben, war das ...« Sollte sie gestehen, daß sie das in Kapitän Hornblower gelesen hatte? »Sie haben mit Tauen ein Segel unter das Schiff ... ähm, das Boot gezogen. Und wenn das Segel an das Leck kommt, wird es mit dem Sog des einströmenden Wasser hineingezogen und verstopft das Loch. Jedenfalls in dem Buch.«
»Wir haben kein Segel«, wandte Ivan ein.
»Nein, aber irgendwo muß Plastik rumliegen«, sagte Jethro. »Hat vielleicht jemand einen Müllbeutel?«
»Du meinst, es könnte klappen?« May war gerührt, daß sie ihren Vorschlag ernst nahmen. »Ich hol’ einen Müllbeutel«, bot sie an und hastete zur Rose Revived zurück.
Sie nahm einen von Sallys Müllsäcken und leerte ihn auf dem Bett aus. »Tut mir leid, Sally«, murmelte sie, während sie sich den zweiten vornahm. »Aber es ist für einen guten Zweck.«
Atemlos kam sie zur Curlew zurück. Jethro schnitt einen der Säcke auf, band Kordel um die Ecken und brachte ihn zum Heck. Dort zog er sich bis auf die Unterhosen aus. »Das sind meine letzten trockenen Sachen«, erklärte er.
Er legte sich im Ruderstand auf den Bauch. Auch hier stand das Wasser schon fünf Zentimeter hoch. Jethro bugsierte die
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