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Wilde Saat

Wilde Saat

Titel: Wilde Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Octavia Butler
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Speise. Er lernte es, sich Reserven von i h nen anzulegen, sie miteinander zu pa a ren. Er übernahm den Schutz und die Sorge für sie. Und sie – gleichsam als G e genle i stung – lernten es, ihm zu dienen und ihn wie einen Gott zu verehren. Nach einer einzigen Generation waren sie ihm völlig hörig. Er begriff selbst nicht, warum, aber er akze p tierte die Tatsache. Einige von ihnen schienen ihn zu spüren, wie er sie spürte. Ihre Hexenkräfte warnten sie, aber keiner von ihnen kam jemals auf die Idee, seine G e genwart zu meiden und die Flucht vor ihm zu ergreifen. Im Gegenteil, sie suchten seine Nähe, buhlten um seine Huld, liebten ihn abgöttisch. Er war ihnen Vater und Mutter, G e liebter und Freund, Bruder und Schwester.
    Mit der Zeit zog er ihre Gesellschaft der Gesellschaft normaler Menschen vor. Er wählte sich Gefährten unter ihnen aus und beschränkte das Töten auf die übrigen. Langsam schuf er sich die Isaaks und Annekes, die besten seiner Kinder. Und er liebte sie, wie sie ihn liebten. Sie schlossen sich ihm an, wie das die gewöhnlichen Leute nicht ve r mochten. Sie erfreuten ihn, und sie empfanden nur wenig oder gar keine Furcht vor ihm. Irgendwie war es so, als wiederhole sich seine eigene Lebensgeschichte mit j e der neuen Generation. Die besten seiner Kinder liebten ihn ohne jede Einschränkung, so wie seine Eltern es getan ha t ten. Die übrigen machten ihn – wie die Bewohner seines Heimatdorfes – zum Gegenstand ihres Aberglaubens. Diesmal allerdings kehrte sich dieser Aberglaube nicht g e gen ihn. Und diesmal waren es auch nicht die Menschen, die er lie b te, die seinen Hunger stillen mußten. Er holte sich andere, die ihm weniger nahestanden, während er se i ne Auserwäh l ten vor jedem Unheil zu bewahren suchte. Nur vor der Krankheit, dem Altwerden, vor Kriegen und Überfällen und vor den gefährlichen Auswirkungen ihrer eigenen Kräfte konnte er sie nicht bewahren. Und dieses letztere zwang ihn gelegentlich sogar, den einen oder and e ren seiner Auserwählten zu t ö ten. Der eine, berauscht von der eigenen Macht, mißbrauchte seine Fähigkeiten, zog die Aufmer k samkeit der Außenwelt in bedrohlicher Weise auf sich und brachte das ganze Volk in Gefahr. Ein a n derer verweigerte Doro plötzlich den Gehorsam.
    Wieder ein anderer verlor den Verstand und wurde wahnsinnig. All das war schon geschehen.
    Die Tötungen hätten ihm eigentlich das größte Vergn ü gen bereiten müssen. Und was den Sinnesreiz betraf, der damit verbunden war, empfand Doro sie auch als äußerst genußreich. Doch seinen Geist eri n nerten diese Tötungen zu sehr an das, was er seinen Eltern antun mußte. Er behielt diese Körper niemals besonders lange. Ganz bewußt ve r mied er es, in einen Spiegel zu schauen, bis er wieder einen Wec h sel vollzogen hatte. Danach fühlte er sich – stärker als zu anderen Zeiten – immer sehr einsam und allein. Er sehnte sich nach dem Tod und wünschte zu ste r ben. Was war er, fragte er sich, daß er alles haben konnte, was er wollte, und daß nur das Ende, das Sterben, ihm verwehrt war?
    Menschen wie Isaak und bald auch Nweke wußten nicht, wie sicher sie vor ihm waren. Menschen wie Anyanwu – gute, prachtvolle Wildsaat – wußten nicht, wie sicher sie vor ihm sein konnten – obwohl es für Anyanwu bereits zu spät war. Jahre zu spät – trotz Isaaks inständiger Bitten. Doro konnte diese Frau nicht länger mehr ertragen. Er litt unter ihrer Verachtung, ihrem Schweigen, ihrem ständig spürb a ren Haß. Sobald sie für Isaak nicht mehr von Nutzen war, würde sie sterben.
    Ruhelos und voller Sorge wanderte Isaak in der Küche auf und ab. Es war ihm nicht möglich, vor Nwekes Schre i en die Ohren zu verschließen, und er brauchte all seine Wi l lenskraft, um nicht zu ihr zu gehen. Er wußte, es gab in diesen Stunden nichts, was er tun konnte. Menschen im Übergang reagierten nicht positiv auf seine Nähe. Anya n wu konnte sie in den Armen halten und an sich drücken, und sie krallten sich an ihr fest in ihrer Qual. Wenn dag e gen Isaak versuchte, sie zu trösten, wurden sie unruhig und stießen ihn von sich. Er hatte es niemals begri f fen, denn vor und nach dem Übergang schienen sie ihn alle zu lieben und waren glücklich in seiner G e genwart.
    Auch Nweke liebte ihn. Während sie in seinem Haus aufwuchs, hatte sie immer Vater zu ihm gesagt, o b wohl sie wußte, daß er nicht ihr Vater war. Aber das hatte ihr Ve r halten zu ihm nie beeinflußt. Sie war auch nicht,

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