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Wilde Saat

Wilde Saat

Titel: Wilde Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Octavia Butler
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mehr hatten?
    Doro setzte mit einem Sprung über Anyanwu hinweg, über Isaak, der jetzt, sich vor Schmerzen windend, am B o den lag, und stürzte sich auf das Mä d chen.
    Er packte sie und schlug zu, wie es Isaak getan hatte. »Das ist genug!« sagte er, ohne die Stimme zu erh e ben. Wenn das, was er sagte, sie erreichte, würde sie am Leben ble i ben. Wenn nicht, würde sie sterben. Ihr Götter, laßt sie l e ben.
    Nweke entwand sich Doros Griff und zog sich vor ihm zurück wie ein in die Enge getriebenes Tier. Was immer sie getan hatte, um Isaak zu verletzen und Anyanwu zu töten, bei Doro versuchte sie nichts dergleichen. Irgendwie mußte seine Stimme sie g e funden haben.
    Halb sprang, halb stürzte sie aus dem Bett, um sich se i nem Zugriff zu entziehen. Sie stolperte über Isaaks Beine und fiel auf ihn. Anyanwu war nun e t was Weiter entfernt von ihr als vorher. Sie lag zwischen Bett und Tür. Sie war wahrscheinlich im B e griff gewesen, aus dem Zimmer zu laufen, als Nw e ke sie niederstreckte. Sie lebte noch, hatte jedoch das Bewußtsein verloren. Sie hätte es wohl nicht g e merkt, wenn das Mädchen auf sie gefallen wäre. Isaak jedoch spürte den Aufprall von Nwekes Körper und re a gierte augenblicklich auf den neuen Schmerz, der ihn durchfuhr.
    Er packte Nweke und schleuderte sie hoch; fort von se i nem gepeinigten Körper – er schleuderte sie mit der Kraft, die er so viele Male benutzt hatte, um die großen Sege l schiffe so schnell wie möglich aus der Gefahrenzone eines Seestu r mes herauszuführen. Er wußte nicht, was er tat – genausowenig wie sie es wußte. Er sah nicht, daß das Mä d chen gegen die Zimmerdecke prallte, sah nicht, daß ihr Kopf gegen einen der wuchtigen Deckenbalken schlug und sich in eine formlose, blutige Masse verwandelte.
    Ihr Körper fiel vor Doro zu Boden, leblos wie eine Pu p pe und blutend aus vielen Wunden. Das Mädchen war ve r loren. Auch dann, wenn sie zweimal die Heilerin gewesen wäre, die Doro sich erhofft hatte. Er nahm sie auf die Arme und trug sie hinüber zum Bett. Hastig legte er sie darauf nieder, dann war er bei Isaak und beugte sich über ihn, um zu sehen, ob auch er verloren war.
    Isaaks Gesicht war aschfahl – eine graue, häßliche T ö nung. Er lag da, ohne sich zu rühren, dennoch war er bei Bewuß t sein. Doro hörte seinen keuchenden Atem, mit dem er mühsam nach Luft rang. Schwierigkeiten mit dem He r zen, hatte er gesagt. Hatte Nweke seinen Zustand ve r schlimmert? Warum nicht? Wer schon war eher dazu i m stande, die Krankheit und das Leiden eines Menschen zu verstä r ken, als derjenige, der die Macht hatte, sie zu heilen!
    Verzweifelt wandte Doro sich zu Anyanwu um. In dem Augenblick, da er ihr seine Aufmerksamkeit schenkte, e r kannte er, daß sie noch lebte. Er spürte es. Er spürte sie, wie er eine Beute spürte, nicht wie einen nutzlosen Leic h nam. Doro faßte nach ihrer Hand, ließ sie aber sofort wi e der los. Sie fühlte sich schlaff und leblos an. Er berührte ihr Gesicht, beugte sich tief über sie und sagte: »Kannst du mich hören, Anyanwu?«
    Sie gab keine Antwort, kein Lebenszeichen.
    »Anyanwu, Isaak braucht dich! Er stirbt ohne deine Hi l fe!«
    Ihre Augen öffneten sich. Sekundenlang sah sie zu ihm hoch, erkannte vielleicht die Verzweiflung auf seinem G e sicht. »Liege ich auf einem Teppich?« flüsterte sie schlie ß lich.
    Verwundert runzelte er die Stirn. Hatte auch sie den Verstand verloren? Sie war Isaaks einzige Rettung. »Ja!« an t wortete er.
    »Dann zieh mich darauf näher zu ihm heran. So nahe du kannst! Aber faß mich nicht an, hörst du!« Sie atmete tief. »Bitte, faß mich nicht an.«
    Doro richtete sich halb auf und zog den Teppich näher auf Isaak zu.
    »Der Wahnsinn packte sie plötzlich«, wisperte sie. »Ihr Geist war nicht stark genug.«
    »Ich weiß«, sagte Doro.
    »Sie versuchte, alles in mir zu zerstören.« Anyanwus Stimme war kaum zu vernehmen. »Sie wütete in mir wie eine Furie, zerstach mein Inneres wie mit einem Messer: Herz, Lungen, Adern, Magen, Leber … Sie war wie ich, wie Isaak, wie … vielleicht auch wie Thomas. Sie drang in meine Gedanken ein, blickte in das Innere meines Körpers. Sie muß es gekonnt h a ben!«
    Ja, Nweke war genauso gewesen, wie Doro es sich e r hofft hatte – und sogar noch besser. Aber sie war tot. »Hilf Isaak, Anyanwu!«
    »Hol mir zu essen«, sagte sie. »Ist noch von dem Braten übriggeblieben?«
    »Kannst du an Isaak herankommen? Bist du nahe genug bei

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