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Wilde Saat

Wilde Saat

Titel: Wilde Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Octavia Butler
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praktisch war es auch, daß es inzwischen sehr viele Werkzeuge zu kaufen gab, die für die Plantagenarbeit benötigt wurden. Auße r dem waren kür z lich zwei Maultiere gestorben, und drei andere würden es auch nicht mehr lange schaffen. Die Feldarbeiter brauchten neues Schuhwerk, neue Hüte, Trinkgefäße … Es war wir t schaftlicher, wenn die Leute, die auf den Feldern arbeit e ten, für reiche Ernte sorgten, anstatt ihre Zeit für die Fertigung von Dingen zu verwe n den, die man anderswo viel preiswerter erstehen konnte. Dies war vor allem wichtig auf einer Plantage, wo es keine Sklaven mehr gab und die Menschen für ihre Arbeit b e zahlt wurden, der Besitzer i h nen ordentliche Wohnungen und gutes Essen stellte. Die menschenwürdige B e handlung der Arbeitskräfte kostete Geld. Wenn Anyanwu nicht über ein großes Organisationstalent verfügt hätte, wäre sie g e zwungen gewesen, immer noch, wie in den Anfängen der Plantage, auf dem Grund des Meeres nach versunkenen Schiffen und ihren Schätzen zu suchen.
    Sie war dabei, eine lange Spalte von Zahlen zu a d dieren, als Doro mit den beiden Jungen eintrat. Beim Klang seiner Schritte wandte sie den Kopf und sah einen blassen, leicht vornübergebeugten Mann mit schütterem schwarzen Haar. Als er sich ihr gegenüber in einen Sessel sinken ließ, b e merkte sie, daß an der Hand, mit der er sich beim Niede r setzen auf die Armlehne stützte, zwei Finger fehlten.
    »Ich bin es«, sagte er müde. »Läßt du uns ein Mahl au f tischen? Es ist einige Zeit her, seitdem wir etwas Vernün f tiges gegessen haben.« Wie höflich von ihm, mich zu bi t ten, in der Küche eine Anweisung zu geben, dachte sie vo l ler Bitterkeit. In diesem Augenblick erschien eine von Anyanwus Töchtern in der Tür. Sie stutzte und blickte mit dem Ausdruck des Entsetzens auf Doro. Anyanwu saß in ihrer Gestalt als blühende junge Frau am Schreibtisch. Es war allerdings in der Nachbarschaft bekannt, daß Mister Warrick eine sehr schöne und gebildete schwarze Geliebte hatte.
    »Wir werden das Abendessen früher einnehmen«, sagte Anyanwu zu dem Mädchen. »Rita soll etwas zubereiten, das nicht so lange Zeit in Anspruch nimmt.«
    Das Mädchen knickste und verschwand. Es spielte seine Rolle als Dienerin weiter. Es wußte nicht, daß der Fremde bei seiner Mutter Doro war.
    Anyanwu starrte auf Doros augenblicklichen Körper. Sie vermochte kaum an sich zu halten. Der Wunsch, ihn anz u schreien und aus dem Haus zu jagen war übermächtig in ihr. Er trug die Schuld am Tode ihres Sohnes. Er hatte die Schlange unter ihren Kinder freigelassen. Und was hatte er diesmal mitgebracht? Zwei junge Schlangen? O Gott, wie sehr sehnte sie sich danach, ihn endlich loszuwerden.
    »Haben sie sich gegenseitig umgebracht?« fragte Doro. Die beiden Kinder blickten ihn aus großen Augen an. Falls sie noch keine jungen Schlangen waren, würde er sie sehr bald das Kriechen lehren. Jedenfalls legte er sich in ihrer G e genwart keinerlei Zwang auf, obwohl dies doch wirklich kein Thema war, das sich für Kinderohren eignete.
    Anyanwu überhörte Doros Worte und wandte sich an die beiden Jungen. »Ihr werdet großen Hunger h a ben, nicht wahr?«
    Einer von ihnen antwortete mit einem scheuen Nicken. »Ich ja«, sagte er hastig.
    »Dann kommt mit mir!« forderte Anyanwu sie auf. »R i ta wird euch Brot und Pfirsichmarmelade geben.« Anya n wu bemerkte, daß die beiden nicht zu Doro hinschauten, um von ihm die Erlaubnis zum Verlassen des Raumes zu erbi t ten. Sie sprangen auf und folgten ihr. Draußen zeigte sie ihnen die Küche, und sie liefen hinüber. Rita würde nicht erfreut sein. Daß sie sich mit dem Abendessen bee i len mußte, war schon schlimm genug für sie. Aber sie wü r de den Kindern etwas zu essen geben und sie danach ve r mu t lich zu Luisa schicken, bis Anyanwu die beiden rufen ließ. Mit einem Seufzer kehrte Anyanwu zu Doro zurück.
    »Du hast schon immer viel zuviel Rücksicht auf Kinder genommen«, bemerkte er.
    »Ich lasse ihnen nur die Möglichkeit, Kinder zu sein, s o lange sie es möchten. Sie werden viel zu schnell erwac h sen, und die Härte und Grausamkeit des D a seins erfahren sie noch früh genug.«
    »Erzähl mir, was mit Stephen und Joseph war!«
    Sie ging zu ihrem Tisch zurück, nahm im Sessel Platz und fragte sich, ob sie es fertigbringen würde, ruhig mit ihm über diese Geschichte zu sprechen. Wie so oft waren ihr die Tränen der Trauer und der ohnmächtigen Wut in die Augen getreten. Wie oft

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