Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wilde Saat

Wilde Saat

Titel: Wilde Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Octavia Butler
Vom Netzwerk:
Wahrheit.«
    »Ich habe Angst vor ihm.«
    »Gut. Man kann auch Angst vor ihm haben. Antworte und gehorche ihm. Überlaß es mir, ihm Vorwürfe zu m a chen und ihm zu widersprechen.«
    Sie schwiegen, bis sie das Haus erreichten. Dann sagte Margaret: »Wir sind deine schwache Stelle, nicht wahr? Du könntest ihm für weitere hundert Jahre davonlaufen, wenn wir nicht wären.«
    »Ich bin immer unglücklich gewesen, wenn ich meine Kinder nicht um mich hatte«, antwortete Anyanwu. Ihr Blick begegnete Margarets Augen. »Was glaubst du, wa r um ich so viele Kinder habe. Ich hätte mich ja mit den Ehemä n nern oder Ehefrauen, mit den Liebhabern oder den Gelie b ten zufriedengeben können. Wenn ich also trotzdem so viele Kinder h a be, dann nur aus einem einzigen Grund: ich wollte sie, und ich liebe sie. Wenn sie eine zu große Last für mich gewesen wären, würde es sie nicht geben. Es würde dich nicht geben.«
    »Aber er benutzt uns, um dich zu erpressen, um dich g e fügig zu machen. Ich weiß, daß es so ist.«
    »Ja. Das ist seine Methode.« Sie berührte die glatte, ro t braune Haut des Mädchens. »Neka, all das braucht dich nicht zu beunruhigen! Komm, sag ihm, was er von dir wi s sen will. Und dann vergiß ihn. Ich habe ihn vor dir ertragen müssen. Und keine Angst, ich werde es überleben.«
    »Du wirst am Leben bleiben bis zum Ende der Welt«, sagte das Mädchen mit feierlichem Ernst. »Du und er.« Sie schüttelte den Kopf.
    Zusammen betraten sie das Haus. In der Bibliothek saß Doro an Anyanwus Platz und sah ihre Notizen und Listen durch.
    »Um Gottes willen!« rief Anyanwu ärgerlich.
    Er schaute auf. »Du bist eine bessere Geschäftsfrau, als ich dachte«, sagte er. »Bei deiner Einstellung gegen die Skl a verei ist es nicht einfach, eine Plantage mit Gewinn zu b e wirtschaften!«
    Zu ihrem eigenen Erstaunen hinterließ sein Lob eine Wirkung in ihr. Sie war befremdet darüber, daß er in ihren Papieren herumschnüffelte, aber ihrem Unwillen war plöt z lich die Spitze genommen. Sie ging zum Schreibtisch und blieb schweigend davor st e hen, bis er lächelnd aufstand und wieder zu seinem Lehnsessel ging. Margaret nahm ebenfalls einen Se s sel und wartete.
    »Hast du sie gefragt?« wollte er wissen.
    Anyanwu schüttelte den Kopf.
    Er wandte sich zu Margaret um. »Wir nehmen an, daß Joseph einen Übergang durchgemacht hat, wä h rend er hier auf der Plantage lebte. Gab es irgen d welche Anzeichen dafür?«
    Margaret hatte Doros neues Gesicht betrachtet, doch als er das Wort »Übergang« sprach, blickte sie zur Seite und starrte auf die Muster des Perserteppichs.
    »Erzähle mir, was du davon weißt!« sagte Doro r u hig.
    »Wie sollte das möglich gewesen sein!« mischte Anyanwu sich ein. »Wir hätten doch etwas davon merken mü s sen.«
    »Er wußte, was mit ihm geschah«, flüsterte Margaret. »Auch ich wußte Bescheid. Ich hatte es bei Stephen ges e hen. Allerdings dauerte es bei Stephen sehr viel länger. Für Joe kam es völlig überraschend und dauerte nur ganz kurze Zeit. Etwa eine Woche lang, oder etwas mehr, fühlte er sich nicht gut. Niemand außer mir bemerkte es. Und ich mußte ihm verspr e chen, mit niemandem darüber zu reden. Dann, eines Nachts, als er ungefähr einen Monat hier war, hatte er den Höhepunkt erreicht. Ich glaubte, er würde ste r ben. Ich wollte Hilfe holen, aber er beschwor mich, bei ihm zu bleiben und keinem Menschen e t was davon zu sagen.«
    »Warum bist du nicht zu mir gekommen?« fragte Anyanwu. »Ich hätte dir doch helfen können. Du bist nicht die Stärkste. Er muß dir weh getan haben!«
    Margaret nickte. »Ja, er hat mir weh getan. Aber – er hatte Angst vor dir. Er glaubte, du würdest es Doro erzä h len.«
    »Es hätte keinen Sinn gehabt, den Vorfall zu verschwe i gen«, sagte Doro.
    Margaret fuhr fort, auf den Teppich zu starren.
    »Was geschah dann?« fragte Doro.
    Margaret befeuchtete ihre Lippen. »Er hatte Angst. Er sagte, du … du hättest seinen Bruder getötet, als dessen Übe r gang mißlang.«
    Schweigen trat ein. Anyanwu schaute von Margaret auf Doro. »Ist das wahr?« fragte sie stirnrunzelnd.
    »Ja. Ich befürchtete Schlimmes.«
    »Was heißt ›Schlimmes‹?«
    »Sein Bruder verlor den Verstand während des Übe r gangs. Er war ähnlich wie Nweke. In seiner Qual tötete er den Mann, der bei ihm war, um ihm zu helfen. Ich kam hinzu und konnte verhindern, daß er sich selbst etwas antat, i n dem ich ihn nahm.
    Ich zeugte mit seinem Körper fünf

Weitere Kostenlose Bücher