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Wilde Saat

Wilde Saat

Titel: Wilde Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Octavia Butler
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hatte die erwartete Wi r kung.
    Wie angewurzelt blieb der Mann stehen. Bestürzt und übe r rascht runzelte er die Stirn.
    »Wer bist du?« fragte er. »Wer … was führt dich hie r her?« Er zeigte keine Angst. Er kannte Doro nicht. Er ve r mutete nur, er habe sich geirrt. Er stand da und maß den hochgewachsenen Schwarzen mit einem feindseligen Blick.
    »Ich bin ein Freund von Bernard Daly«, sagte Doro. »Ich mache Geschäfte mit ihm.« Doro sprach En g lisch wie der Sklavenhändler, und es bestand kein Zweifel, daß der andere ihn verstand. Als der Weiße fortfuhr, Doro anzu s tarren, schritt dieser an ihm vorbei auf die Gruppe der brändenden Männer zu, in deren Nähe sich auch Daly au f hielt.
    Aber der Sklavenhändler schien nicht damit einversta n den zu sein. Er zückte seinen Degen und stellte sich Doro in den Weg. »Du willst den Captain sprechen?« fragte er h e rausfordernd. Daly hatte zwar seit fünfzehn Jahren kein Schiff mehr befehligt, aber er wünschte es, mit diesem T i tel angeredet zu werden. Der Sklavenhändler zeigte Doro grinsend einige g e lbe Zahnstümpfe. »Du wirst ihn noch früh genug s e hen!«
    Voller Unwillen sah Doro auf den Degen. Mit einer ei n zigen blitzschnellen Bewegung, der das Auge kaum folgen kann, hob er das schwere Buschmesser und schlug dem Sklavenhändler die Waffe aus der Hand.
    Im nächsten Augenblick saß dem Mann das Messer an der Kehle. »Es hätte deine Hand sein können«, sagte Doro mit gefährlicher Sanftheit. »Oder dein Kopf.«
    »Meine Leute würden dich auf der Stelle töten.«
    »Was hättest du noch davon – in der Hölle!«
    Schweigen.
    »Dreh dich um, wir werden zu Daly gehen!«
    Zögernd gehorchte der Mann. Er stieß einen obszönen Fluch aus, der Doros Ahnen galt.
    »Noch ein Wort, und es kostet dich deinen Hals«, drohte Doro.
    Wieder herrschte Schweigen.
    Die drei bewegten sich hintereinander an den mit Ketten gefesselten Sklaven vorbei. Vorbei an dem Feuer, an dem das Einbrennen der Brandzeichen ins Stocken geraten war, vorbei an Dalys Männern, die sie mit weit aufgerissenen Augen anstarrten.
    Sie gingen auf eine Baumgruppe zu, unter der sich ein von drei Seiten geschlossenes Schutzdach befand. Auf e i ner Holzkiste saß Daly und trank aus einem Tonkrug. Er setzte ihn ab und blickte Doro und Anyanwu entgegen.
    »Ich sehe, das Geschäft blüht«, sagte Doro.
    Daly erhob sich. Er war klein, breitschultrig und von der Sonne gebräunt. Wangen und Kinn waren unr a siert. »Was hast du gesagt?« knurrte er. »Wer bist du?« Daly war ein wenig schwerhörig, aber Doro war s i cher, daß Daly seine Stimme erkannt hatte. Doro beobachtete die seltsame M i schung aus Furcht und Neugier in den Zügen des Mannes, die seine Anwesenheit auch bei seinen eigenen Leuten he r vorrief. Und Doro wußte: Wenn sie bei der Begrüßung di e sen Gesichtsausdruck zeigten, waren sie ihm noch treu e r geben.
    »Du kennst mich«, sagte er.
    Der Sklavenhändler wich einen Schritt zurück.
    »Ich habe deinen Mann am Leben gelassen«, fuhr Doro fort. »Bring ihm Manieren bei!«
    »Ja.« Mit einer raschen Handbewegung bedeutete er dem verwirrt und zornig dreinblickenden Mann, zu gehen. Der Weiße sah Doro an und das Buschmesser in dessen Hand, dann schlich er davon.
    Als er sich weit genug entfernt hatte, fragte Doro. »War meine Mannschaft hier?«
    »Ja«, entgegnete Daly. »Gestern noch suchte dein Sohn Laie sich zwei Männer und drei Frauen aus. Kräftige junge Schwarze, die ihren Preis wert sind.«
    »Davon werde ich mich bald überzeugen«, sagte D o ro.
    Plötzlich stieß Anyanwu einen Schrei aus.
    Rasch blickte Doro zu ihr hinüber, um festzustellen, was sie ängstigte. Dann richtete er seine Blicke auf Daly und dessen Männer. »Frau«, murmelte er, »du wirst mich noch dazu bringen, einen Fehler zu m a chen!«
    »Es ist Okoye«, flüsterte sie. »Der Sohn meiner jüngsten Tochter. Diese Männer müssen ihr Dorf überfallen haben.«
    »Wo ist er?«
    Anyanwu zeigte auf einen jungen Mann, dem man so e ben das glühende Brandeisen aufgepreßt hatte. Er lag im Sand, schweißbedeckt, schmerzverzerrt und keuchend vor Erschöpfung. Er hatte sich gegen die erbarmungslose Pr o zedur vergeblich zur Wehr g e setzt.
    »Ich werde zu ihm gehen«, sagte Anyanwu leise. »O b wohl er mich nicht erkennen wird.«
    »Geh«, antwortete Doro. Dann wandte er sich dem En g länder zu. »Ich hätte ein neues Geschäft für dich. Diesen Jungen.«
    »Aber … der ist schon vergeben. Ein Schiff der

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