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Wilde Saat

Wilde Saat

Titel: Wilde Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Octavia Butler
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jähzornig, mordgierig, streitsüchtig und mehr als andere Stämme der kannibalistischen Lebensweise verhaftet. Aus diesem Grund hatte Doro sie in dem fast menschenleeren Grasland angesiedelt. Hätten sie in unmittelbarer Nachbarschaft der größeren und wehrhafteren Stämme gelebt, wären sie von diesen längst ausg e tilgt worden.
    Doch außer diesen negativen Eigenschaften besaßen sie andere, die sie in Doros Augen höchst wertvoll machten. Sie waren ein Volk mit ungewöhnlicher Intuitionsfähigkeit. Sie vermochten es, die Gedanken eines Menschen zu lesen. Und schon die böse A b sicht der anderen genügte, ihn dafür auf gewalttätige Art zur Rechenschaft zu ziehen. Dabei waren sie sich der Ungewöhnlichkeit ihres Tuns nicht b e wußt. Doro war ihr Gott gewesen, seit er sie vor vielen G e ner a tionen gesammelt und ihnen befohlen hatte, Ehen nur untereinander oder mit Fremden zu schließen, die er zu ihnen brachte. Sie hatten seine Gebote b e folgt, sie töteten jedes Kind, das infolge der Inzucht als Mißgeburt zur Welt kam, und sie steigerten die Fähigkeiten, die sie für ihn so wertvoll machten. Wenn das Wachsen dieser Fähigkeiten die Neigung zum Jähzorn, zur Boshaftigkeit und zur Strei t sucht auch abnorm verstärkte, so kümmerte es Doro nicht. Er war äußerst zufrieden mit ihnen, und sie kannten schon seit langer Zeit nichts, das wichtiger für sie war, als ihn zufriedenzustellen.
    »Deine Leute wurden alle sofort getötet, nachdem man sie gefangengenommen hatte«, sagte Daly. »Diejenigen, die du vor Jahren hierherbrachtest, machten sich Feinde, wohin sie auch kamen.«
    Doro hatte damals fünf Dorfbewohner mitgenommen, um sie mit ganz bestimmten Personen, die er auf seinen Reisen entdeckt hatte, zu kreuzen. Diese fünf hatten sich bei allen durch ihre Bösartigkeit und ihre Streitsucht unb e liebt gemacht. Aber treu nach Doros Gebot hatten sie Ki n der hervorgebracht – u n gewöhnlich schöne Kinder, Kinder, deren Sensibilität nicht nur größer war, sondern von ihm auch be s ser kontrolliert werden konnte.
    »Einige von ihnen leben noch«, erwiderte Doro. »Ich spüre, wie sie auf mich ansprechen, wenn ich an sie denke. Ich werde alles tun, um möglichst viele von ihrer Art gro ß zuziehen, bevor sie doch noch irgend jemand umbringt.«
    »Es tut mir leid«, sagte Daly. »Ich wünschte, sie w ä ren zu mir gebracht worden. So schwierig ich sie auch fand, ich hätte dafür gesorgt, daß sie am Leben geblieben w ä ren!«
    Doro nickte seufzend. »Ja, das weiß ich.«
    Endlich schwand bei dem Engländer auch die letzte Spur von Angst. Er wußte nun, Doro machte ihn für den Tod der Saatdorf-Bewohner nicht verantwortlich. Er wu ß te, daß Doro ihn nicht bestrafen würde. »Was ist dieser kleine I g bo, den du mit an Bord genommen hast?« fragte er neugierig, wissend, daß er sich nun eine solche Frage e r lauben konnte.
    »Wildsaat«, antwortete Doro. »Trägerin einer Blutl i nie, von der ich annahm, sie sei längst ausgestorben, und – so glaube ich – Trägerin einer anderen Blutl i nie, von deren Existenz ich bisher nicht einmal eine Ahnung hatte. Sobald ich sie sicher von hier fortg e schafft habe, werde ich in ihrer Heimat unbedingt einige Nachforschungen anstellen mü s sen.«
    »Sie? Aber dieser Schwarze ist doch ein Mann!«
    »Manchmal. Doch sie ist von Geburt aus weiblich. Und die meiste Zeit ist sie eine Frau.«
    Ungläubig schüttelte Daly den Kopf.
    »Diese Ungeheuer, die du alle zusammenholst! Fast könnte man denken, du züchtest Geschöpfe, die nicht wi s sen, ob sie beim Wasserlassen stehen oder h o cken sollen.«
    »Sie werden es schon wissen, wenn es mir gelingt, sie so zu züchten, wie es mir vorschwebt. Sie werden es wissen, doch darauf kommt es wirklich nicht an.«
    »Solche Kreaturen müßten verbrannt werden. Sie sind eine Beleidigung des Schöpfers.«
    Doro lachte, erwiderte jedoch nichts. Er wußte g e nauso wie Daly selbst, daß dieser sich nichts sehnl i cher wünschte, als eins von Doros Ungeheuern zu sein. Nur wegen dieses Wunsches war Daly noch am Leben. Zehn Jahre zuvor war er einem Schwarzen begegnet, den er für einen Wilden wie die anderen auch gehalten hatte. In Dalys Augen unte r schied sich dieser Mann nicht von den fünf etwas helleren, aber nicht weniger gefährlich aussehenden Gestalten, die dieser Schwarze bei sich hatte. Alle sechs wirkten jung und kräftig – bestes Sklavenpotential. Daly hatte seinen schwarzen Dienern befohlen, sie einzufa n gen. An

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