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Wilde Saat

Wilde Saat

Titel: Wilde Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Octavia Butler
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empfunden? Angst, Sorge? Oder mehr noch? Irgendein u n bestimmtes Gefühl, daß sie dabei war, den Überstieg in etwas bisher noch völlig Unbekanntes zu vollziehen? E t was Neues? Fast kam es Isaak so vor, als h a be Doro von New York City aus eine zweite, neue Anyanwu erspürt. Eine Anyanwu, die ihn erregte, ihn anzog. Noch nie war er einem Gefühl derart b e reitwillig gefolgt.
    Das Mädchen bewegte sich in Doros Armen, und er führte sie zu einem der hochlehnigen Sitzbänke in der Nähe der Feuerstelle. Nicht zum erstenmal fragte sich Doro, weshalb Isaak und Anyanwu sich nicht schon längst einige der bequemen modernen Sitzmöbel angeschafft hatten. S i cher konnten sie sich das erlauben.
    »Was ist eigentlich mit mir?« flüsterte das Mädchen. »Was soll ich nur dagegen tun?« Sie hatte den Kopf an se i ne Schulter gelegt, aber trotz dieser Nähe konnte Doro sie kaum verstehen. »Es ist so qua l voll.«
    »Halte aus!« sagte er einfach. »Es wird vorüberg e hen!«
    »Wann?« Dem Flüstern folgte ein Schrei. Dann wi e der ein Flüstern. »Wann?«
    »Bald.« Er hielt sie ein wenig von sich weg und blickte in das kleine, müde, vom Weinen verquollene Gesicht. Die Farbe ihrer Haut war fahl, fast grau und nicht wie sonst von einem starken, dunklen Braun. »Du hast nicht geschlafen?«
    »Nur wenig. Die Alpträume … es sind doch nur Al p träume, oder?«
    »Du weißt, was es ist.«
    Sie lehnte sich gegen die Rückseite der Bank. »Du kennst David Whitten, zwei Häuser weiter.«
    Doro nickte. Der Whitten-Junge war zwanzig. Ausg e zeichnetes Zuchtmaterial. Seine Familie würde auf die Z u kunft gesehen noch eine große Bedeutung für ihn erhalten. Die Whittens besaßen eine Sensivität, die Doro immer wieder erstaunte. Er wußte noch nicht genau, wohin sie sich en t wickeln würden, aber er hatte ein gutes Gefühl bei ihnen. Sie stellten ein erfreuliches Rätsel für ihn dar, das durch eine sorgfältige Züchtung seine Lösung finden wü r de.
    »Fast jede Nacht«, sagte Nweke. »David … Er geht jede Nacht zu seiner Schwester ins Bett.«
    Doro lachte. Die Nachricht überraschte ihn. »Tut er das?«
    »Genauso, als wären sie miteinander verheiratet. Was ist daran so lustig? Sie könnten in Schwieri g keiten kommen -Bruder und Schwester. Sie könnten …«
    »Es wird schon gutgehen mit ihnen.«
    Sie blickte ihn forschend an. »Hast du davon g e wußt?«
    »Nein.« Doro lächelte immer noch. »Wie alt ist das Mädchen? Sechzehn?«
    »Siebzehn.« Nweke zögerte. »Ihr gefällt es.«
    »Dir würde es auch gefallen«, bemerkte Doro.
    Nweke zuckte zurück. Sie verstellte sich nicht. Ihr En t setzen war echt. »Ich wollte es nicht wissen! Ich hab nie e t was getan, um es zu erfahren.«
    »Glaubst du, ich machte dir deswegen Vorwürfe? Ich?«
    Sie senkte die Augen, leckte über ihre Lippen. »Nein, du nicht, nehme ich an. Hast du vor, sie … sie zusammenz u lassen?«
    »Ja.«
    »Hier?«
    »Nein. Ich denke an einen Platz für sie drunten in Pen n sy l vania. Wie die Dinge liegen, werde ich mich sehr rasch darum kümmern müssen.«
    »Sie waren fast eine Wohltat für mich«, sagte Nweke. »Das, was sie miteinander machten, hat mich so gefange n genommen, daß ich die anderen Dinge nicht mehr so oft spüren mußte. Vergangene Nacht alle r dings … Vergangene Nacht kamen zwei Indianer. Sie überfielen einen weißen Mann. Er hatte irgend etwas getan. Eine ihrer Frauen get ö tet oder so. Ich war in seinen Gedanken, die am Anfang völlig g e trübt und verwirrt waren. Die Indianer folterten ihn. Er brauchte so lange … so furchtbar lange, um zu ste r ben.« Sie hatte die Hände ineinander verkrampft, ihre A u gen w a ren weit aufgerissen und spiegelten das Grauen, das auch in der Erinnerung seine Schä r fe nicht verloren hatte. »Sie rissen ihm die Fingernägel aus, schnitten ihm das G e schlechtsteil ab, sen g ten ihm die Fußsohlen. Die Frauen schlugen die Zähne in seinen Kö r per, rissen Stücke aus seinem Fleisch wie Wölfe, die ihr Opfer zerreißen. Dann …« Sie hielt inne, ein starkes Schluchzen schüttelte sie. »O Gott!«
    »Warst du die ganze Zeit über bei ihm?« fragte D o ro.
    »Die ganze Zeit – in jedem Augenblick.« Sie weinte still, ohne zu schluchzen, starrte nur reglos geradeaus, wä h rend die Tränen über ihre Wangen liefen und die Fingern ä gel sich in ihre Handballen gruben. »Ich kann nicht verst e hen, daß ich nach alledem noch am Leben bin«, flüsterte sie.
    »Nichts davon ist dir

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