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Wilde Saat

Wilde Saat

Titel: Wilde Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Octavia Butler
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das, weil es dich plötzlich zu uns zurüc k zog?«
    Doro liebte das Wort »Zurückziehen« nicht. Aber er nickte, ohne zu widersprechen.
    Isaak erhob sich. »Nweke zuerst. Denn noch bist du in guter Laune.« Ohne Doros Antwort abzuwarten, verließ er das Haus. Er liebte Doro, und er liebte Anyanwu. Und er litt darunter, daß die beiden so schlecht miteinander au s kamen.
    »Ich begreife nicht, daß du dich ihr gegenüber so able h nend verhältst«, hatte er einmal zu Doro gesagt. »Diese Frau hat nicht so ein kurzes Leben wie wir anderen. Sie könnte dir alles sein, was du brauchst – Gebärerin, Gefäh r tin und Geschäftspartner. Ihre F ä higkeiten ergänzen die deinen auf das vollkommen s te. Doch alles was du tust, ist, sie zu erniedrigen.«
    »Ich habe ihr nie etwas getan«, erwiderte Doro. »Ihr nicht und auch ihren Kindern nicht. Zeige mir eine einzige Wil d saatfrau, die ich nach ihrer Entbindung so lange leben ließ wie sie!« Er hatte ihre Kinder niemals angerührt, weil sie ihm drohte, kein weiteres Kind mehr zur Welt zu bri n gen, wenn auch nur e i nem von ihnen ein Leid geschähe. Und das hatte er ihr abgenommen. Er war sicher, daß sie mit ihrer Drohung ernst machen würde, gleichgültig, we l che Folgen das für sie hatte. Ihre Offenheit war unmißverstän d lich. Aus diesem Grund verzichtete er darauf, sich die Kö r per ihrer weniger begabten Kinder zu holen. Verzicht e te darauf, ihre Töchter mit ihren Söhnen zu paaren oder sich selbst mit di e sen Töchtern zu vereinigen. Sie wußte nicht, welche An s trengung es ihn gekostet hatte, sie zufriedenz u stellen. Sie wußte es nicht, aber Isaak hätte es wissen mü s sen.
    »Du behandeltst sie ein wenig besser als die anderen, weil sie auch ein wenig brauchbarer für dich ist«, hatte Isaak einmal gesagt. »Aber trotzdem ernie d rigst du sie.«
    »Wenn sie es vorzieht, von mir erniedrigt zu werden durch das, was ich ihr antue, dann schafft sie sich ihre Probleme selbst.«
    Isaak hatte ihn sekundenlang fast zornig angesehen. »Ich weiß von Nwekes Vater«, hatte er gesagt. Seine Worte ha t ten furchtlos geklungen. Mit der Zeit hatte er die Erfahrung gemacht, daß er einer der wenigen Menschen war, die vor Doro keine Angst zu haben brauchten.
    Mit einem Gefühl der Beschämung war Doro gega n gen. Er hatte geglaubt, es sei ihm nicht mehr möglich, noch e t was wie Scham zu empfinden, doch Anyanwus Gegenwart schien zu genügen, längst erstorbene Gefühle wieder l e bendig werden zu lassen. Zu wie vielen Frauen hatte er Isaak geschickt, ohne das geringste dabei zu empfinden. Isaak hatte ausg e führt, was man ihm aufgetragen hatte, und war wieder nach Hause gekommen. Nach Hause von Pen n sylvania, nach Hause von Maryland, nach Hause von Georgia, nach Hause von Spanish-Florida … Isaak hatte sich Doros Anordnungen nie widersetzt. Er war zwar nicht gerne für längere Zeit von Anyanwu und den Kindern g e trennt, doch gegen einen Beischlaf mit anderen Frauen ha t te er nichts einzuwenden, und den Frauen war er willko m men. Er hatte auch nichts dagegen, daß Doro acht von Anyanwus Kindern g e zeugt hatte. Oder zumindest sieben. Nur Anyanwu litt darunter. Sie fühlte sich erniedrigt. Vie l leicht lag es bei Nwekes Vater etwas anders – vielleicht.
    Das Mädchen, achtzehn, klein und dunkel wie ihre Mu t ter, betrat den Raum. Neben ihr Isaak, den Arm um ihre Schultern gelegt. Ihre Augen waren gerötet, als ob sie g e weint oder schlecht geschlafen hätte. Wahrscheinlich be i des. Dies war eine schlimme Zeit für sie.
    »Bist du es?« flüsterte sie beim Anblick des scharfg e sicht i gen Fremden.
    »Natürlich«, sagt Doro lächelnd.
    Seine Stimme, die Erkenntnis, daß es tatsächlich Doro war, trieben ihr erneut die Tränen in die Augen. Leise schluchzend ging sie auf ihn zu, drängte sich schutzs u chend an ihn. Er legte die Arme um sie und blickte über ihre Schu l ter zu Isaak hin.
    »Was immer du mir zu sagen hast, ich verdiene es«, e r klärte Isaak. »Ich habe es nicht bemerkt, und ich hätte es bemerken müssen. Nach all diesen Jahren hätte ich es b e merken müssen.«
    Doro schwieg, bedeutete ihm mit einer Handbew e gung, den Raum zu verlassen.
    Wortlos gehorchte Isaak. Vielleicht fühlte er sich schu l diger, als es notwendig war. Nweke war kein gewöhnliches Mädchen. Keiner ihrer Brüder und keine ihrer Schwestern hatten Doro über Meilen hinweg erreichen können, als die Zeit ihres Übe r gangs näherrückte. Was hatte Doro um sie

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