Wilde Saat
erwies ihm damit unbeabsic h tigt einen Dienst, denn auch er wollte Isaak nicht eher verli e ren, als es unbedingt sein mußte. Doro schüttelte den Kopf und begann wieder zu reden, um sich vom G e danken an Isaaks Sterben abzulenken.
»Ich war wegen einiger Geschäfte unten in der Stadt«, begann er. »Etwa vor einer Woche, als ich bereits im B e griff war, nach England zu reisen, mußte ich an Nweke denken!« Nweke was Anyanwus jüngste Tochter. Doro b e hauptete, sie sei auch seine Tochter, obwohl Anyanwu das bestritt. Doro hatte zwar den Körper getragen, der das Kind zeugte, aber er trug ihn nicht zur Zeit der Zeugung. Er hatte ihn erst später übernommen.
»Nweke geht es gut«, erwiderte Isaak. »So gut, wie es unter den jetzigen Umständen möglich ist. Ihr Obergang steht kurz bevor, und sie ist jetzt in der kritischen Phase. Aber Anyanwu ist bei ihr, und ich bin sicher, daß mit ihrer Hilfe alles gutgehen wird.«
»Hast du nicht bemerkt, daß sie in den letzten Tagen b e sondere Schwierigkeiten hatte?«
Einen Moment lang dachte Isaak nach. »Nein, nicht daß ich wüßte. Allerdings habe ich sie nicht allzu oft gesehen. Sie hilft einer Freundin beim Nähen der Hochzeitskleider – das Van-Hees-Mädchen heiratet. Du erinnerst dich doch an sie?«
Doro nickte.
»Und ich habe beim Bau des Boyden-Hauses geho l fen. Du wirst natürlich sagen, ich hätte es allein g e baut. Weißt du, ich muß einfach das, was mir geg e ben wurde, dann und wann noch einmal ausüben. Auch wenn Anyanwu mit mir schimpft. Dabei ist es so, daß ich es regelrecht brauche. Tu’ ich diese A r beiten nicht, ertappe ich mich dabei, daß ich spazierengehe, ohne mit den Füßen den Boden zu berü h ren, oder daß ich irgendwelche Dinge in die Luft schleud e re. Diese Fähigkeit scheint mit dem Alter nicht nachzula s sen.«
»Das ist auch meine Erfahrung. Hast du immer noch Freude daran?«
»Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr.« Isaak läche l te. Er blickte zur Seite. Die Erinnerung zauberte einen Ausdruck der Heiterkeit in sein Gesicht und ließ ihn um Jahre jünger erscheinen. »Weißt du, hier und da fliegen wir noch zusammen, Anyanwu und ich. Du solltest sie einmal sehen, wenn sie sich in einen Vogel verwandelt. In einen Phant a sievogel nach ihren eigenen Vorstellungen. Farben, sage ich dir, wie du sie noch nie gesehen hast!«
»Ich fürchte, ich werde dich bald als Leiche sehen, wenn du so weitermachst. Feuerwaffen sind gefäh r lich. Fliegen ist heute ein unverantwortliches Ris i ko.«
»Und dennoch, es macht mir Spaß«, sagte Isaak ruhig. »Du solltest nicht versuchen, es mir auszur e den.«
Doro seufzte. »Ich hätte es mir denken können.«
»Außerdem ist Anyanwu ja dabei, und sie fliegt immer ein wenig tiefer als ich.«
Anyanwu, die Beschützerin, dachte Doro mit einer Bi t terkeit, die ihn erstaunte. Anyanwu, die Verteid i gerin aller, die in Bedrängnis waren. Doro fragte sich, was sie tun würde, wenn er ihr sagte, daß er ihre Hilfe brauchte? Wü r de sie ihn auslachen? Wah r scheinlich. Und sie würde recht damit haben. Natürlich, sie kannten sich nun schon zu la n ge. Es würde ihm kaum noch gelingen, sie zu belügen, so wie ihr das ihm gegenüber auch nicht gelingen würde. Der einzige Grund, weshalb sie nicht von der Kolonie ihrer a f rikanischen Abkömmlinge in Süd-Carolina wußte, lag da r in, daß er ihr nie einen Anlaß gegeben hatte, danach zu fr a gen. Nicht einmal Isaak hatte davon eine Ahnung.
»Ist es dir nicht unangenehm, ständig auf diese Weise von ihr beschützt zu werden?« fragte er Isaak.
»Doch, am Anfang schon«, antwortete Isaak. »Ich flog ihr davon, denn ich bin schneller als jeder V o gel, wenn ich das will. Ich ließ sie hinter mir, nahm einfach keine Rüc k sicht auf sie. Aber sie gab nicht auf. Immer wieder ve r suchte sie, mich einzuholen. Sie ließ sich nicht abschütteln. Nach e i ner Weile wartete ich dann auf sie. Ich wollte nicht schneller sein als sie. Und jetzt ist es so, daß ich unglüc k lich bin, wenn sie nicht in meiner Nähe ist.«
»Wurde sie einmal angeschossen?«
Isaak schwieg. Nach einigem Zögern sagte er: »De s halb wählt sie jetzt die leuchtenden Farben, vermute ich. Sie will die Aufmerksamkeit von mir ablenken. Sie selbst wu r de mehrmals von einer Kugel getroffen. Sie ließ sich dann e i nige Yard fallen, flatterte umher, damit ich Zeit zur Flucht hatte. Dann heilte sie ihre Verletzung und folgte mir.«
Doro hob den Blick zu Ahyanwus Bildnis, das
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