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Wilde Schafsjagd

Wilde Schafsjagd

Titel: Wilde Schafsjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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für Ihre Einbußen voll zu entschädigen. Möglicherweise mehr als zu entschädigen.«
    Im Raum herrschte Schweigen.
    »Sollten Sie unserem Wunsche nicht nachkommen«, sagte der Mann, »wird dies das Ende Ihrer Firma sein. Und Sie werden niemals wieder auf die Füße kommen, nicht in dieser Welt.«
    Erneutes Schweigen.
    »Haben Sie irgendwelche Fragen?«
    »Das heißt, das Foto ist das Problem?«, fragte mein Partner eingeschüchtert.
    »Ja«, sagte der Mann. Dann fuhr er fort, jedes Wort wie handverlesen: »Es ist das Foto. Mehr kann ich Ihnen jedoch nicht sagen. Dazu ist mir nicht die Befugnis erteilt worden.«
    »Ich werde den Verantwortlichen telefonisch verständigen. Um drei wird er hier sein können«, sagte mein Partner.
    »Sehr schön«, sagte der Mann und warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Ich schicke um vier einen Wagen her. Ach ja, noch etwas sehr Wichtiges: Sprechen Sie mit niemandem über diese Angelegenheit. Haben wir uns verstanden?«
    Dann trennten sich die beiden, businesslike .

3. DER ALTE
    »Das war’s«, sagte mein Partner.
    »Ist mir völlig schleierhaft«, sagte ich, eine noch kalte Zigarette zwischen den Lippen. »Erstens weiß ich überhaupt nicht, wer der Mann auf der Karte ist. Außerdem ist mir unklar, warum er sich wegen eines Fotos von Schafen so aufregt. Und drittens leuchtet mir nicht ein, weshalb er einfach eine unserer Publikationen stoppen kann.«
    »Der Mann hat bei den Rechten das große Sagen. Er selbst tritt fast nie in den Vordergrund, auch sein Name taucht kaum auf, und deshalb ist er in der Öffentlichkeit wenig bekannt, aber in unserer Branche kennt ihn jedes Kind. Außer dir vermutlich.«
    »Ich bin eben weltfremd«, verteidigte ich mich.
    »Er ist rechts, gehört aber nicht zur so genannten Rechten. Eigentlich ist er nicht mal rechts.«
    »Jetzt verstehe ich gar nichts mehr.«
    »Genau genommen weiß niemand, was in ihm vorgeht. Er hat nichts geschrieben und hält auch keine öffentlichen Vorträge. Er gibt keine Interviews und lässt sich unter keinen Umständen fotografieren. Nicht mal, ob er lebt oder tot ist, lässt sich mit Sicherheit sagen. Vor fünf Jahren wollte ein Zeitschriftenreporter einen Finanzskandal, in den der Alte verwickelt war, groß herausbringen, aber die Sache wurde schon im Keim erstickt.«
    »Du kennst dich aus, muss ich sagen.«
    »Der Reporter war der Bekannte eines Bekannten von mir.«
    Ich zündete mir mit dem Feuerzeug die Zigarette an. »Was macht er jetzt?«
    »Er wurde in die Verwaltung versetzt und sortiert von morgens bis abends Belege. Die Medienwelt ist kleiner, als man denkt, und so ein Fall gibt eine fabelhafte Warnung ab. Wie ein Skelett am Eingang eines Eingeborenendorfs in Afrika.«
    »Verstehe«, sagte ich.
    »Bis zum Krieg sind allerdings ein paar Fakten aus dem Lebenslauf des Mannes bekannt. 1913 auf Hokkaido geboren, nach der Volksschule Umzug nach Tokyo, verschiedene Jobs, Hinwendung zur Rechten. Nur eine Gefängnisstrafe, soweit ich weiß. Nach der Haftentlassung ging er in die Mandschurei, schloss Bekanntschaft mit Stabsoffizieren der Kanto¯-Armee und gründete irgendeine konspirative Vereinigung. Über deren Ziele weiß man wieder nichts Genaues. Von da ab wird er zum Rätsel. Man munkelt, er hätte mit Drogen gehandelt, und einiges spricht tatsächlich dafür. Nach der Verwüstung des chinesischen Festlands, zwei Wochen vor Kriegseintritt der Sowjetunion, kam er auf einem Zerstörer wieder nach Japan – mit einem enormen Haufen Gold und Silber im Gepäck.«
    »Gutes Timing, der Mann.«
    »Sein Timing ist in der Tat bemerkenswert. Er weiß genau, wann man zuschlagen und wann man sich zurückziehen muss. Und er weiß, worauf es ankommt. Die Besatzungstruppen verhafteten ihn zwar als Kriegsverbrecher der Kategorie I, stellten die Untersuchung dann aber auf einmal ein und ließen die Anklage fallen. Aus gesundheitlichen Gründen, aber das liegt alles im Dunkeln. Wahrscheinlich hat er mit den Amerikanern ein Geschäft gemacht. Immerhin hatte MacArthur damals China im Auge.«
    Mein Partner nahm den Kugelschreiber wieder aus der Ablage und ließ ihn zwischen den Fingern tanzen.
    »Als man ihn schließlich aus dem Gefängnis in Sugamo entließ, teilte er seinen Schatz, den er irgendwo versteckt hatte, in zwei Teile auf: Mit der einen Hälfte kaufte er einen ganzen Flügel der Konservativen Partei, und mit der anderen kaufte er die Werbebranche. Zu Zeiten, wohlgemerkt, als man bei Werbung noch im Wesentlichen an

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