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Wilde Schafsjagd

Wilde Schafsjagd

Titel: Wilde Schafsjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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vollziehen. Ich kann das schlecht erklären.
    Doch ich glaube, Du verstehst immer sehr gut, was ich nicht gut erklären kann. Aber je besser Du verstehst, umso schlechter kann ich erklären, scheint mir. Muss ein Geburtsfehler von mir sein.
    Fehler hat natürlich jeder.
    Aber mein allergrößter Fehler ist, dass sich meine Fehler mit den Jahren vermehren. In mir geht es zu wie auf einer Hühnerfarm: Die Fehler legen Eier, und aus den Eiern werden neue Fehler, die dann wieder Eier legen. Kann denn ein Mensch so leben, mit diesen ganzen Fehlern? Natürlich kann er. Das ist ja das Problem.
    Jedenfalls gebe ich Dir meine Adresse nicht. Das ist sicher besser so. Sowohl für Dich als auch für mich.
    Wir hätten im Russland des neunzehnten Jahrhunderts geboren sein sollen! Ich wäre Herzog X und Du Graf Y, wir würden auf die Jagd gehen, uns duellieren, um schöne Frauen buhlen, hätten allerlei metaphysische Leiden, würden am Schwarzen Meer den Sonnenuntergang bewundern und dabei Bier trinken. Am Ende unserer Tage würden wir schließlich in den » XY -Aufstand« verwickelt und nach Sibirien verbannt, wo wir das Zeitliche segneten. Das wär doch was! Wenn ich im neunzehnten Jahrhundert geboren wäre, könnte ich sicher viel bessere Romane schreiben. Ein zweiter Dostojewski wäre ich vielleicht nicht gerade geworden, aber bestimmt knapp dahinter. Was wohl aus Dir geworden wäre? Vielleicht wärst Du einfach Graf Y geblieben. Einfach Graf Y sein ist auch nicht schlecht. Hat zumindest das Flair des neunzehnten Jahrhunderts.
    Aber lassen wir das. Kehren wir zurück ins zwanzigste Jahrhundert.
    Lass uns über Städte reden.
    Nicht über die Stadt, in der wir geboren sind, sondern über die vielen anderen.
    Es gibt so viele verschiedene Städte auf der Welt! Jede hat ihre eigenen Rätsel, und die interessieren mich. Und so bin ich in den paar Jahren ganz schön herumgekommen.
    Wohin es mich auch verschlägt, wenn man den Bahnhof verlässt, ist da immer ein kleiner Platz, ein Stadtplan und eine Einkaufsstraße. Das ist überall gleich. Bis hin zum Hundeblick der Hunde. Ich schau mir die Stadt erst einmal an und gehe dann in ein Maklerbüro, um mir eine billige Unterkunft zu suchen. Natürlich, ich bin ein Fremder, und weil Kleinstädte fremdenfeindlich sind, gewinne ich so schnell kein Vertrauen, aber wie Du weißt, bin ich ein umgänglicher Mensch, wenn ich will, und habe nach zirka fünfzehn Minuten das Vertrauen der meisten Menschen gewonnen. So komme ich dann schließlich an eine Wohnung und an viele Informationen über die Stadt.
    Das Nächste ist die Arbeitssuche. Bei möglichst vielen Leuten Vertrauen schaffen ist auch hier das A und O. Dir hing das bestimmt zum Hals heraus (mir auch, um ehrlich zu sein), aber ich bleib ja nicht mal vier Monate. Es ist völlig egal, mit wem man sich gut stellt. Zuerst muss man das Café oder die Kneipe finden, wo sich die Jugend der Stadt trifft (das gibt es überall; ist sozusagen der Nabel einer Stadt), dort Stammgast werden, Bekanntschaften machen und sich Jobs anbieten lassen. Name und Lebensgeschichte muss man natürlich den Gegebenheiten anpassen. Deshalb hab ich jetzt so viele Namen und Lebensgeschichten, wie Du Dir nicht vorstellen kannst. Das geht schon so weit, dass ich manchmal selbst kurz davor bin zu vergessen, wer ich eigentlich bin.
    Ich hatte alle möglichen Jobs. Ein Großteil davon war langweilig, aber trotzdem hats Spaß gemacht zu arbeiten. Meistens waren es Tankstellenjobs. An zweiter Stelle kommt gleich der Schnellimbiss. Ich hab schon in einem Buchladen, in einer Radiostation und auf dem Feld gearbeitet. Vertreter für Kosmetika war ich auch. Als Vertreter hatte ich sogar einen ziemlich guten Ruf. Außerdem hab ich mit vielen Frauen geschlafen. Unter falschem Namen und verschiedenen Identitäten mit Frauen zu schlafen ist gar nicht so schlecht.
    So gings immer weiter.
    Und so bin ich neunundzwanzig geworden. Noch neun Monate, und ich werde dreißig.
    Ob dieses Leben zu mir passt, weiß ich noch nicht so genau. Mir ist auch nicht klar, ob der Vagabundencharakter ein allgemeines Phänomen ist oder nicht. Vielleicht muss man für ein langes Vagabundendasein wirklich religiös, musisch oder empfindsam sein, wie es heißt. Wenn man keine dieser drei Eigenschaften besitzt, kann man eben kein langes Vagabundenleben führen. Ich kann nicht behaupten, dass eine davon auf mich zutrifft. (Am ehesten vielleicht … aber lassen wir das.)
    Es ist jedoch auch möglich, dass ich

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