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Wilde Schafsjagd

Wilde Schafsjagd

Titel: Wilde Schafsjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Verlust.«
    »In unserer Branche sind reale Verluste an der Tagesordnung – etwa wenn ein Auftraggeber aus einer Laune heraus ein Produkt einfach ablehnt. Für einen kleinen Betrieb wie den unseren ist das allerdings tödlich. Wir passen uns deshalb zu hundert Prozent dem Wunsch des Auftraggebers an. Wir setzen uns mit ihm zusammen und lassen, extrem ausgedrückt, jede Zeile und jeden Buchstaben einzeln absegnen. Damit gehen wir jedem Risiko aus dem Wege. Das macht zwar keinen großen Spaß, aber schließlich sind wir kapitalschwache Einzelkämpfer.«
    »Jeder fängt klein an«, tröstete der Mann. »Nun, wie auch immer. Ich darf Ihre Worte also dahingehend interpretieren, dass die von mir veranlasste Einstellung der Zeitschrift Ihre Firma finanziell erheblich zurückwirft?«
    »Das kann man so sagen. Die Zeitschrift war schon gedruckt und gebunden, wir müssen also innerhalb eines Monats Papier und Druckkosten bezahlen. Dazu kommen Honorare für bestellte Artikel. Alles in allem wird sich das auf etwa fünf Millionen Yen belaufen; wenn wir Pech haben, müssen wir einen Kredit aufnehmen. Wir haben gerade vor einem Jahr in ein neues Büro investiert.«
    »Ich weiß«, sagte der Mann.
    »Hinzu kommen zukünftige vertragliche Probleme mit potentiellen Auftraggebern. Unsere Position ist schwach, und Kunden arbeiten nicht gerne mit Anzeigenagenturen, bei denen es Trouble gegeben hat. Unser Vertrag mit der Lebensversicherungsgesellschaft sieht die Herausgabe des PR -Blattes vor; er läuft über ein Jahr. Wenn er aufgrund der Schwierigkeiten jetzt annulliert werden sollte, kommt das unserem Untergang gleich. Wir sind eine kleine Firma und haben keine Verbindungen, dafür aber einen guten Ruf. Mundpropaganda, das ist unser Kapital. Wenn wir einmal in Verruf kommen, ist das unser Ende.«
    Der Mann sah mich die ganze Zeit wortlos an, auch nachdem ich zu reden aufgehört hatte. »Sie sind«, begann er schließlich, »sehr ehrlich. Was Sie gesagt haben, stimmt mit dem Ergebnis unserer Nachforschungen überein. Ich schätze das. Was wäre denn, wenn ich der Lebensversicherungsgesellschaft riete, Sie für die ausgefallene Nummer der Zeitschrift bedingungslos zu entschädigen und den Vertrag aufrechtzuerhalten?«
    »Dann wäre nichts weiter. Man würde sich achselzuckend fragen, wozu das Ganze, und dann zur langweiligen Tagesordnung übergehen.«
    »Legen wir noch ein Bonbon dazu: Ein Wort von mir auf der Rückseite meiner Visitenkarte, und Ihre Firma hat Aufträge für die nächsten zehn Jahre. Und ich meine Aufträge , kein Spatzenfutter.«
    »Sie schlagen, mit anderen Worten, ein Geschäft vor?«
    »Einen Austausch von Gefälligkeiten. Ich habe Ihrem Geschäftspartner aus Gefälligkeit die Information gegeben, dass die Publikation des PR -Blattes eingestellt wurde. Wenn Sie sich dafür gefällig zeigen, werde wiederum ich Ihnen zu Gefallen sein. Es würde mich freuen, wenn Sie es so betrachteten. Mein Wohlwollen wird Ihnen von Nutzen sein. Schließlich können Sie nicht auf ewig mit diesem saufenden Simpel zusammenarbeiten.«
    »Er ist mein Freund«, sagte ich.
    Eine Weile herrschte Stille. Stille wie nach dem Fallenlassen eines Steinchens in einen tiefen Brunnen. Es dauerte dreißig Sekunden, bis der Stein aufschlug.
    »Na schön«, sagte der Mann. »Das ist Ihr Problem. Ich habe Ihren Werdegang recht genau studiert. Hochinteressant, muss ich sagen. Es gibt, grob gesagt, zwei Arten von Menschen – mittelmäßige Realisten und mittelmäßige Träumer. Sie gehören eindeutig zu den Letzteren. Merken Sie sich das ruhig. Sie teilen das Schicksal aller mittelmäßigen Träumer.«
    »Ich werde es mir merken«, sagte ich.
    Der Mann nickte. Ich trank die Hälfte meines Traubensafts; das Eis war völlig geschmolzen.
    »Kommen wir zur Sache«, sagte der Mann. »Zu den Schafen.«
    * * *
    Der Mann gab seine Haltung auf, um aus einem Umschlag ein großes Schwarzweißfoto hervorzuziehen, und legte es vor mir auf den Tisch. Ein Hauch Realität hielt, schien mir, im Zimmer Einzug.
    »Das ist das Foto, das Sie in Ihrer Zeitschrift abgedruckt haben.«
    Für eine Vergrößerung direkt von der Fotoseite war die Aufnahme verblüffend scharf. Ein Spezialverfahren vermutlich.
    »Soweit ich weiß, ist das Foto auf privatem Wege in Ihre Hände gelangt, und Sie haben es für die Zeitschrift verwendet. Ist das korrekt?«
    »Das ist korrekt.«
    »Nach unseren Ermittlungen wurde das Foto innerhalb der letzten sechs Monate von einem blutigen Amateur

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