Wilde Schafsjagd
haben also Grund zu der Annahme, dass diese Person in Zusammenhang mit dem Schaf in irgendwelche Schwierigkeiten geraten könnte.«
»Keinen Grund . Ich habe nur so eine Ahnung. Irgendetwas ist faul. Diesen Eindruck hatte ich bei Ihrer Geschichte die ganze Zeit – dass irgendetwas faul ist. Rein intuitiv.«
»Und deswegen können Sie nichts sagen.«
»Ganz recht«, sagte ich und fuhr nach kurzem Überlegen fort: »Was Schwierigkeiten angeht, bin ich so etwas wie eine Autorität. Es dürfte kaum jemanden geben, der besser weiß als ich, wie man Leute in Schwierigkeiten bringt. Wenn irgend möglich, gehe ich deshalb solchen Dingen aus dem Wege. Damit bringe ich dann am Ende die Leute in noch größere Schwierigkeiten. Es läuft immer auf das Gleiche hinaus. Nur: Auch wenn ich das weiß, kann ich mich nicht von Anfang an so verhalten. Eine Frage des Prinzips.«
»Das verstehe wer will.«
»Die Mittelmäßigkeit erscheint eben in vielerlei Gestalt.«
Ich steckte mir eine Zigarette zwischen die Lippen, zündete sie mit dem Feuerzeug, das ich noch in der Hand hielt, an und inhalierte. Es ging mir eine Winzigkeit besser.
»Wenn Sie es nicht sagen wollen, behalten Sie es für sich«, sagte der Mann. »Dafür werden Sie das Schaf suchen. Das ist mein letztes Angebot. Wenn Sie innerhalb von zwei Monaten, gerechnet ab heute, das Schaf finden, werden Sie entlohnt – so hoch, wie Sie wollen. Wenn Sie es nicht finden, sind Sie und Ihre Agentur am Ende. Wir verstehen uns, ja?«
»Was bleibt mir übrig?«, sagte ich. »Allerdings – was wäre, wenn das Ganze auf einem Irrtum beruhte, wenn ein Schaf mit einem Stern auf dem Rücken überhaupt nicht existierte?«
»Das änderte nichts. Weder für Sie noch für mich. Sie finden das Schaf, oder Sie finden es nicht. Ein Dazwischen gibt es nicht. Pech für Sie, aber wie ich eben schon sagte: Sie haben den Einsatz erhöht. Sie haben den Ball: Laufen Sie, tragen Sie ihn ins Tor. Auch wenn es das Tor gar nicht geben sollte.«
»Jungejunge«, sagte ich.
Der Mann zog einen dicken Briefumschlag aus der Seitentasche seines Anzugs und legte ihn vor mich hin. »Für Ihre Spesen. Rufen Sie mich an, wenn es nicht reicht. Sie bekommen unverzüglich mehr. Noch Fragen?«
»Fragen nicht, aber eine Vermutung.«
»Nämlich?«
»Das Ganze ist eine unglaublich idiotische Geschichte, aber aus Ihrem Munde klingt sie wie die reine Wahrheit. Jeder, dem ich sie erzählte, würde mich garantiert für verrückt halten.«
Der Mann verzog seinen Mund um eine Winzigkeit. Es sah fast so aus, als ob er lachte. »Morgen geht es an die Arbeit. Vergessen Sie nicht: Sie haben zwei Monate, ab heute.«
»Das ist keine leichte Arbeit. Zwei Monate sind vielleicht nicht genug. Immerhin soll ich ein einzelnes Schaf finden, und das Land ist groß.«
Der Mann sah mir wortlos ins Gesicht. Wenn er mich so anstarrte, kam ich mir vor wie ein leeres Schwimmbecken. Wie ein schmutziges, leeres Schwimmbecken mit gesprungenen Kacheln, ein Schwimmbecken, von dem man nicht weiß, ob man es im nächsten Jahr noch benutzen kann. Der Mann sah mir volle dreißig Sekunden ins Gesicht, ohne auch nur ein einziges Mal zu blinzeln. Dann öffnete er langsam den Mund.
»Besser, Sie gehen jetzt«, sagte er.
Dieses Gefühl hatte ich auch.
3. DER WAGEN UND SEIN FAHRER (2)
»Möchten Sie zurück in Ihre Firma? Oder darf ich Sie woanders hinbringen?«, fragte der Fahrer. Es war derselbe wie auf dem Hinweg, aber jetzt war er schon eine Spur liebenswürdiger. Ein Typ, der wahrscheinlich mit jedem schnell warm wurde.
Ungezwungen streckte ich auf dem bequemen Polster alle viere von mir und überlegte, wo ich hinfahren könnte. In die Agentur wollte ich nicht. Allein bei dem Gedanken, dass ich meinem Partner dann dieses und jenes würde erklären müssen – und wie in aller Welt wollte man das erklären? –, wurde mir schon schwindelig. Außerdem hatte ich schließlich Urlaub. Schnurstracks nach Hause war allerdings auch nicht das Richtige. Bevor ich nach Hause fuhr, wollte ich mir erst noch ein Stück reale Welt ansehen, mit realen Menschen, die auf realen Füßen standen.
»Fahren Sie nach Shinjuku, Westseite«, sagte ich.
Es ging auf den Abend zu, und der Verkehr Richtung Shinjuku staute sich fürchterlich. Ab einem gewissen Punkt kam das Auto kaum noch voran, als hätte es Anker geworfen. Ab und zu, hatte ich das Gefühl, wurde es von einer Welle erfasst und ein paar Zentimeter weitergeschwemmt. Eine Zeit lang dachte ich über
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