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Wilde Schafsjagd

Wilde Schafsjagd

Titel: Wilde Schafsjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Prozent der Fälle, also in bis zu vier von fünf Halluzinationen, kam dieses Schaf vor – dieses ungewöhnliche, kastanienbraune Schaf mit dem Stern auf dem Rücken.
    Das hier auf dem Feuerzeug eingravierte Schafemblem hat der Chef seit 1936 durchgängig als persönliches Wappen benutzt. Es ist, wie Sie bemerkt haben werden, absolut identisch mit dem in den militärmedizinischen Unterlagen aufgezeichneten Schaf. Und es ist ferner identisch mit dem auf Ihrem Foto. Hochinteressant, finden Sie nicht?«
    »Reiner Zufall«, sagte ich. Ich wollte möglichst unbefangen klingen, aber es gelang mir nicht recht.
    »Das ist noch nicht alles«, fuhr der Mann fort. »Der Chef hat mit großem Eifer sämtliche Schafe betreffenden Materialien und Informationen gesammelt. Einmal pro Woche sah er persönlich lange und gründlich alle Zeitungs- und Zeitschriftenartikel durch, die Schafe betrafen und in der fraglichen Woche in ganz Japan publiziert worden waren. Ich ging ihm dabei stets zur Hand. Er war wirklich überaus eifrig. Als ob er nach irgendetwas suchte. Nachdem er bettlägerig wurde, habe ich – ganz privat – diese Aufgabe weitergeführt. Ich hatte ein großes Interesse daran. Daran, was da wohl auftauchen würde. Aufgetaucht sind Sie. Sie und Ihr Schaf. Das ist, wie immer Sie es drehen und wenden, kein Zufall.«
    Ich wog das Feuerzeug in der Hand. Ein wirklich angenehmes Gewicht. Nicht zu schwer, nicht zu leicht. Solche Gewichte gibt es.
    »Warum nur hat der Chef mit solchem Eifer das Schaf gesucht? Was meinen Sie?«
    »Ich habe keine Ahnung«, sagte ich. »Fragen Sie ihn selbst, das beschleunigt die Sache.«
    »Wenn ich ihn fragen könnte , würde ich das tun. Er ist seit etwa zwei Wochen ohne Bewusstsein. Wahrscheinlich wird er es auch nicht wieder erlangen. Wenn der Chef stirbt, wird das Geheimnis des Schafes mit dem Stern auf dem Rücken für immer im Dunkel versinken. Das kann ich nicht zulassen. Nicht, dass ich an meinen persönlichen Vorteil dächte; das alles ist von weit größerer Bedeutung.«
    Ich klappte das Feuerzeug auf und zündete Feuer; dann klappte ich es wieder zu.
    »Sie halten das, was ich sage, vermutlich für Blödsinn. Vielleicht haben Sie sogar Recht. Womöglich ist es wirklich Blödsinn. Aber es ist alles, was uns bleibt – bedenken Sie das. Der Chef stirbt. Ein Wille stirbt. Und alles im Umkreis dieses Willens stirbt mit. Was bleiben wird, sind ein paar Zahlen. Sonst nichts. Deshalb muss ich das Schaf finden.«
    Zum ersten Mal schloss der Mann für ein paar Sekunden die Augen und schwieg. »Kommen wir zu meiner Hypothese – eine reine Hypothese, nichts weiter. Wenn sie Ihnen nicht gefällt, vergessen Sie sie. Der Wille des Chefs ist im Kern das Schaf .«
    »Klingt wie Disneyland «, sagte ich. Der Mann ignorierte es.
    »Das Schaf nistete sich, nehme ich an, im Körper des Chefs ein. Wahrscheinlich 1936. Und es blieb in diesem Körper, über vierzig Jahre. Es gab dort eine Weide, und es gab einen Birkenwald. Genau wie auf dem Foto. Was halten Sie davon?«
    »Ich halte das für eine sehr interessante Hypothese«, sagte ich.
    »Das Schaf ist ein besonderes Schaf. Ein : sehr : besonderes Schaf. Ich möchte es finden, und dazu brauche ich Ihre Hilfe.«
    »Was wollen Sie mit dem Schaf tun, wenn Sie es gefunden haben?«
    »Nichts. Ich werde vermutlich nichts tun können . Dazu ist es viel zu gewaltig. Ich will nur eines: das Vergehende mit meinen eigenen Augen sehen. Und, wenn das Schaf etwas will, möchte ich mich dem mit allen Kräften widmen. Denn wenn der Chef einmal stirbt, hat mein Leben so gut wie keinen Sinn mehr.«
    Dann schwieg der Mann. Ich schwieg auch. Nur die Zikaden zirpten weiter, und der vorabendliche Wind ließ das Laub der Bäume im Garten rauschen. Im Haus war es unverändert still. So still, als ob in allen Räumen die todbringenden Partikel einer unausweichlichen Seuche schwebten. Ich versuchte, mir die Weide im Kopf des Chefs vorzustellen. Eine Weide mit verdorrtem Gras, nach der Flucht des Schafes grenzenlos leer.
    »Ich frage Sie noch einmal: Verraten Sie mir, auf welchem Wege das Foto in Ihre Hände gelangte«, sagte der Mann.
    »Das kann ich Ihnen nicht sagen«, sagte ich.
    Der Mann seufzte. »Ich habe nichts vor Ihnen verborgen. Ich bitte Sie, ebenso wenig zu verbergen.«
    »Ich bin nicht in der Lage, offen zu Ihnen zu sein. Wenn ich etwas sage, wird die Person, von der ich das Foto habe, womöglich in Schwierigkeiten geraten.«
    »Bitte sehr«, sagte der Mann. »Sie

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