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Wilde Schafsjagd

Wilde Schafsjagd

Titel: Wilde Schafsjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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frisches Hemd an, wählte die Levis ohne Ketchup-Flecken, zog mir links-rechts-markierte Socken an und glättete mir mit der Bürste die Haare. Aber die Sonntagmorgenatmosphäre zurückzurufen, als ich siebzehn war, gelang mir nicht. Kein Wunder. Ich war keine siebzehn mehr, da gab es nichts zu deuteln.
    Ich ging zum Hausparkplatz und fuhr mit meinem fast schrottreifen Käfer zum Supermarkt. Ich kaufte ein Dutzend Dosen Katzenfutter, Streusand fürs Katzenklo, ein Reiserasierset und Unterwäsche. Dann setzte ich mich an die Kaffeetheke, trank einen nach fast nichts schmeckenden Kaffee und aß einen Zimtring. Die Spiegelwand hinter der Theke spiegelte mich, Zimtring kauend. Ich schaute mir, den angebissenen Zimtring in der Hand, eine Zeit lang ins Gesicht und überlegte, was andere wohl dachten, wenn sie mein Gesicht sahen. Aber das war natürlich nicht herauszubekommen. Ich aß den Rest des Zimtrings, trank den Kaffee aus und ging.
    Vor dem Bahnhof gab es ein Reisebüro; dort buchte ich zwei Flugtickets nach Sapporo für den folgenden Tag. Dann ging ich ins Bahnhofsgebäude und kaufte für die Reise eine Umhängetasche aus Segeltuch und eine Regenkappe. An der Kasse zog ich jedes Mal einen knisternden Zehntausender aus dem Umschlag in meiner Hosentasche und bezahlte damit, aber das Bündel nahm, wie viele Scheine ich auch einsetzte, nur unmerklich ab. Ich selbst dagegen wurde weniger. Solches Geld gibt es. Man hat es – und ärgert sich allein deshalb; man benutzt es – und fühlt sich elend; man braucht es auf – und verachtet sich selbst. Dann will man Geld ausgeben – hat aber keines mehr. Eine Rettung gibt es nicht.
    Ich setzte mich auf eine Bank vor dem Bahnhof, rauchte zwei Zigaretten und hörte dann auf, über Geld nachzudenken. Vor dem sonntagmorgendlichen Bahnhof wimmelte es von Familien und jungen Pärchen. Dieses friedliche Bild vor Augen, fiel mir auf einmal ein, was meine Frau gesagt hatte, als wir uns trennten: Vielleicht hätten wir ein Kind haben sollen. Ich war in einem Alter, in dem es keineswegs seltsam wäre, Kinder zu haben. Als ich allerdings versuchte, mir mich als Vater vorzustellen, wurde mir schwer ums Herz. Ich würde mir, wenn ich Kind wäre, schwerlich jemanden wie mich als Vater wünschen.
    Ich rauchte, beide Arme um die Einkaufstüten, noch eine Zigarette und entfloh dann dem Gewimmel. Auf dem Parkplatz des Supermarkts warf ich das Gepäck auf den Rücksitz des Wagens. Dann ging ich, während man an der Tankstelle voll tankte und das Öl wechselte, in eine Buchhandlung in der Nähe und kaufte drei Taschenbücher. Auf diese Weise wurde ich wieder zwei Zehntausender los, und in meiner Hosentasche sammelte sich das Wechselgeld. Wieder zu Hause, warf ich in der Küche alle Münzen in eine Glasschüssel und wusch mir mit kaltem Wasser das Gesicht. Ich hatte das Gefühl, als sei es schon ewig her, dass ich aufgestanden war, aber die Uhr zeigte noch nicht einmal zwölf.
    Als meine Freundin zurückkam, war es drei Uhr nachmittags. Sie trug zu einer senfgelben Baumwollhose eine karierte Bluse und hatte eine so dunkle Sonnenbrille auf, dass man schon vom bloßen Hinsehen Kopfschmerzen bekommen konnte; von der Schulter hing ihr eine ebenso große Segeltuchtasche, wie ich sie mir gekauft hatte.
    »Ich habe Reisevorbereitungen getroffen!«, sagte sie und klopfte mit der flachen Hand auf die prall gefüllte Tasche. »Es wird doch eine lange Reise, oder?«
    »Vermutlich.«
    Sie legte sich, ohne die Sonnenbrille abzunehmen, der Länge nach auf das alte Sofa am Fenster, starrte zur Decke hoch und rauchte eine Mentholzigarette. Ich holte einen Aschenbecher, setzte mich zu ihr auf die Lehne und streichelte ihr Haar. Der Kater kam, sprang aufs Sofa und platzierte Kopf und Vorderfüße auf ihre Fesseln. Als sie genug hatte von ihrer Zigarette, steckte sie sie mir zwischen die Lippen und gähnte.
    »Freust du dich auf die Reise?«, fragte ich.
    »Sehr. Und ganz besonders, weil wir zusammen fahren.«
    »Wenn wir das Schaf aber nicht finden, stecken wir in der Klemme. Wir können dann nirgendwohin zurück und müssen vielleicht unser ganzes Leben herumreisen.«
    »Wie dein Freund?«
    »Wie mein Freund. In gewissem Sinne sind wir uns ähnlich. Der einzige Unterschied ist: Er ist aus eigenem Antrieb weg, mich hat man angetrieben.«
    Ich drückte die Zigarette aus. Der Kater hob den Kopf, gähnte ausgiebig und nahm dann wieder seine alte Position ein.
    »Hast du schon gepackt?«, fragte sie.
    »Noch nicht.

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