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Wilde Schafsjagd

Wilde Schafsjagd

Titel: Wilde Schafsjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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alten Rock ’n’ Roll dazu. Als das Band zu Ende war, faltete ich die Zeitung zusammen und sah meine Freundin an.
    »Ich weiß nicht recht. Einerseits ist es sicher besser, sich auf die Suche zu machen, auch wenn nichts dabei herauskommen sollte, besser jedenfalls, als untätig herumzusitzen. Andererseits passt es mir einfach nicht, dass mir jemand Befehle erteilt, mich erpresst, mich herumstößt.«
    »Das geht doch jedem so, mehr oder weniger. Man erhält Befehle, wird erpresst und herumgestoßen. Sogar dann, wenn man gar keine bestimmte Aufgabe hat.«
    »Mag sein«, sagte ich nach einer Weile.
    Sie schwieg und putzte sich wieder die Ohren. Ab und zu lugten ihre vollen Ohrläppchen zwischen den Haaren hervor.
    »Auf Hokkaido ist es jetzt herrlich. Kaum Touristen, schönes Wetter, und die Schafe sind auch alle draußen. Die beste Jahreszeit.«
    »Kann schon sein.«
    »Gesetzt den Fall«, sagte sie und aß den letzten Keks, »gesetzt den Fall, du nähmst mich mit: Ich wäre dir bestimmt eine Hilfe.«
    »Warum bist du so wild darauf, das Schaf zu suchen?«
    »Ich will es einfach einmal sehen, deshalb.«
    »Da gibt es nichts zu sehen, ein Schaf eben. Wird kaum der Mühe wert sein. Außerdem würdest du unnötig mit in die Sache hineingezogen.«
    »Wenn schon. Wo du verwickelt bist, bin ich auch verwickelt.« Sie lächelte ein bisschen. »Ich liebe dich sehr.«
    »Danke«, sagte ich.
    »Ist das alles?«
    Ich schob die gefaltete Zeitung an den Rand des Tisches. Der Luftzug vom Fenster her transportierte den Rauch unserer Zigaretten ins Nichts.
    »Um ehrlich zu sein, die ganze Geschichte gefällt mir nicht. Da ist was faul.«
    »Was denn?«
    »Alles, von vorne bis hinten«, sagte ich. »Die Einzelheiten sind auffällig klar, und sie passen auch zusammen – aber die Geschichte insgesamt ist völlig idiotisch. Ich hab kein gutes Gefühl dabei.«
    Sie zwirbelte wortlos an dem Gummiring herum, der auf dem Tisch lag.
    »Außerdem: Was wird, wenn ich das Schaf finde? Wenn es sich, wie der Mann sagt, wirklich um ein besonderes Schaf handelt, komme ich möglicherweise, wenn ich es finde, erst recht in Schwierigkeiten.«
    »Und dein Freund? Der scheint schon mittendrin zu sein in diesen Schwierigkeiten. Wenn nicht, hätte er dir wohl kaum das Foto zugeschickt.«
    Sie hatte Recht. Meine Karten lagen offen auf dem Tisch, jeder konnte sie lesen. Und es war nicht ein einziger Trumpf dabei.
    »Bleibt wohl wirklich nur eins: fahren«, sagte ich resigniert.
    Sie lächelte. »Das ist bestimmt das Beste, auch für dich. Wir werden das Schaf schon finden.«
    Sie war fertig mit der Ohrenpflege, wickelte das Bündel Wattestäbchen in ein Kleenex und warf es fort. Dann band sie sich mit dem Gummiring die Haare hinten zusammen und zeigte ihre Ohren. Die Atmosphäre im Zimmer schien sich mit einem Schlag zu ändern.
    »Lass uns ins Bett gehen«, sagte sie.

6. PICKNICK AM SONNTAGNACHMITTAG
    Als ich erwachte, war es neun. Das Bett neben mir war leer. Sie war wahrscheinlich frühstücken gegangen und von dort gleich nach Hause. Einen Zettel hatte sie nicht dagelassen. Über dem Waschbecken hingen ihre Unterwäsche und ein Taschentuch zum Trocknen.
    Ich nahm Orangensaft aus dem Kühlschrank, schenkte mir ein und schob drei Tage altes Toastbrot in den Toaster. Es schmeckte wie Mörtel. Vom Küchenfenster aus war der Oleander im Garten des Nachbarhauses zu sehen. Irgendwo weit weg übte jemand Klavier. Es klang, als ob er eine Rolltreppe hinabstiege, die nach oben führt. Auf dem Strommast saßen drei fette Tauben und gurrten sinnlos. Nein, vielleicht machte das Gegurre ja Sinn. Vielleicht gurrten sie, weil ihnen die Füße wehtaten. Aus Taubensicht machte ich vielleicht keinen Sinn.
    Als ich die zwei Scheiben Toast hinuntergewürgt hatte, waren die Tauben weg; es blieben nur der Strommast und der Oleander. Jedenfalls war Sonntagmorgen. In der Sonntagsausgabe der Zeitung hatte man in Farbe das Foto eines Gemäldes abgedruckt; es zeigte ein Pferd, das eine Hecke übersprang. Der Reiter – er trug eine schwarze Kappe und hatte eine ungesunde Gesichtsfarbe – starrte mürrisch auf die Nachbarseite. Auf der Nachbarseite stand ein längerer Artikel über Orchideenzucht. Es gebe Hunderte von Orchideenarten, und jede habe ihre eigene Geschichte. Irgendein gekröntes Haupt habe für seine Orchidee sein Leben gegeben. Orchideen, erzählte der Artikel, seien Schicksalsblumen. Alles hat seine Philosophie und sein Schicksal.
    Jedenfalls ging es mir, da ich

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