Wilde Wellen
unnahbar. Doch als sie lachte, erschienen um ihre Mandelaugen kleine Fältchen, die Nase legte sich ein wenig kraus und sie sah aus wie ein vergnügtes kleines Mädchen, dem ein Streich gelungen war.
»François wollte mir das Haus sofort kaufen. Aber die Besitzerin, Charlotte â oder ⦠nein, warten Sie, Chantal Miller hieà sie â wollte sich um keinen Preis davon trennen. Sie sagte, sie würde das Haus erst verlassen, wenn man sie mit den FüÃen voran heraustragen müsste.«
Sie kamen im Wintergarten der Villa an, wo an einem Ende eines Kirschholztisches ein kleines Essen für zwei Personen gedeckt war.
»Wie haben Sie es geschafft, Madame Miller das Haus abzuluchsen? Was haben Sie ihr versprochen?« Sie hielt inne. »Sie ist doch nicht tot?«
»Das Haus gehört ihr immer noch. Ich habe es nur gemietet. Madame Miller war es nun wohl doch zu einsam geworden. Sie ist zu ihrer Schwester gezogen.«
Keine Geschäfte während des Essens. In Zeiten, in denen Geschäftsessen zum Normalsten gehörten, dessen man sich bediente, wenn man einen möglichen Kunden, Partner oder Konkurrenten abtasten wollte, hatte François LaRue die Maxime gehabt, sich niemals bei einem guten Essen durch ein Gespräch über Gewinne oder Verluste stören zu lassen. Er war gut damit gefahren. Mit geistreichen Gesprächen hatte er seine Gäste durch ein Fünf-Gänge-Menü geführt, war seinem Ruf als eloquenter, spritziger Gastgeber gern gerecht geworden. So hatte er es erreicht, dass sich seine Gäste entspannten. Und sich willkommen fühlten. Um sie dann, beim Kaffee, den er gern in der grünen, verwirrend duftenden Hölle des Wintergartens servieren lieÃ, unverhofft mit seinen Plänen und Vorschlägen zu konfrontieren, um nicht zu sagen zu überrumpeln. Es war eine höchst erfolgreiche Strategie gewesen, die er gefahren hatte. Und Florence hatte in all den Jahren still im Hintergrund gestanden oder als Schmuckstück an seiner Seite und hatte sich unwillkürlich eingeprägt, wie es François immer wieder hinbrachte, auch unwilligste Geldgeber und störrischste Partner für seine Ideen zu begeistern. Nach Françoisâ Tod war Florence nicht nur auf seinen Chefsessel gerutscht und hatte den ziemlich bald zur groÃen Ãberraschung aller gut ausgefüllt â es war ihr auch gelungen, die Taktiken und Strategien ihres Mannes zur Vollendung zu treiben. Sie war nicht nur unergründlich schön, sie war auch klug genug, ihre Schönheit und ihre Intelligenz in einen unwiderstehlichen Einklang zu bringen, dem kaum jemand etwas entgegenzusetzen hatte. Im Allgemeinen gelang es ihr, für ihre neuen Ideen und Projekte ziemlich schnell potente Mitstreiter und Unterstützer zu finden. Kurz, sie war es nicht gewohnt, dass man ihr widersprach.
Natürlich hatte Florence LaRue der Versuchung widerstanden, dem jungen Wissenschaftler aus Brest ein komplettes Fünf-Gänge-Menü zu servieren. Paul Racine schien ihr nicht wie die Herren aus den Rathäusern und Banken mit Luxus zu beeindrucken zu sein. Also verzichtete sie auf Beluga-Kaviar und Tartar vom Kuckucksfisch und lieà einen Mix aus asiatischem und europäischem Essen servieren. Sushi waren in ihrem Haushalt unvermeidlich. Sie bevorzugte die gefüllten Röllchen aus kaltem Reis mit einer vegetarischen Füllung, lieà aber für Paul auch welche servieren, die mit Fisch und Krabben gefüllt waren, danach gab es Spaghettini in einer leichten Limonensauce und zum Dessert eine Creme brulée, in die sich Paul am liebsten hineingelegt hätte.
Anfangs war Paul noch ungeduldig gewesen. Er hatte erwartet, dass Florence sofort zur Sache kommen und ihm schnell erzählen würde, was sie eigentlich von ihm wollte. Doch seine Versuche, das Gespräch auf den Zweck seines Besuches zu lenken, scheiterten im Ansatz. Florence lenkte das Gespräch geschickt auf Pauls persönliche Situation. Und brachte ihn mit sanfter Gewalt dazu, auf ihre durchaus neugierigen Fragen zu antworten. Was Florence natürlich am meisten interessierte, war die SchieÃerei, bei der Paul dieser Polizistin ja anscheinend das Leben gerettet hatte. Sie fragte direkt, was er in der Situation empfunden habe. Ob er diese Polizistin wiedergesehen hätte. Ob er wegen des Schocks, den er wegen der SchieÃerei doch sicher erlitten hatte, Paris verlassen habe. Dabei war
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