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Wilde Wellen

Wilde Wellen

Titel: Wilde Wellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Sadlo
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ramponierten Holztür, durch die Michel verschwunden war. Was sich wohl dahinter verbarg? Hatte er da eine Werkstatt? Oder ein Weinlager? Sie wollte schon anklopfen, als sie Caspars Stimme hinter sich vernahm.
    Â»Maman?« Caspar sah gut aus in dem Anzug, den sie ihm gekauft hatte. Zwar wirkte er immer noch sehr jung mit seinem blonden Haarschopf, den er auch mit einer großen Menge Haargel nicht wirklich bändigen konnte, aber – wie war das doch? – Kleider machen Leute. Und so ein auf Taille geschnittener dunkler Anzug machte aus einem wilden Surfer doch so etwas wie einen seriösen Jungunternehmer.
    Â»Ich dachte, du bist im Büro.«
    Es war nur ein Anflug von Ärger, der in Caspar hochschoss und den er auch sofort zu unterdrücken wusste. Seit seine Pläne konkreter geworden waren, hielt er den Kontrollwahn seiner Mutter wesentlich leichter aus.
    Â»Ich war am Hafen. Die Selina ist gerade eingelaufen. Ich wollte mich davon überzeugen, wie viel sie gefangen haben.«
    Â»Und? War die Tour erfolgreich?« Claires Misstrauen schwand sofort, als sie hörte, wie selbstverständlich ihr Sohn über seine Arbeit sprach.
    Â»Sehr. Der Thun sieht hervorragend aus. Wir werden mal wieder Höchstpreise erzielen.«
    Sie wollte ihn zum Kaffee einladen, doch Caspar winkte ab. Keine Zeit. Er wollte unbedingt bei der Besprechung dabei sei, die Leon heute mit Pierre Santini hatte, einem der wichtigsten Abnehmer ihrer Fische. Er küsste seine Mutter eilig auf die Wangen und eilte davon. Claire atmete tief durch. Es funktionierte. So lange Caspar gebraucht hatte, um zu begreifen, wo sein Platz im Leben war – jetzt schien es, als würde er ihn ausfüllen können.
    Im Augenwinkel sah sie, dass sich die Tür von Michels Schuppen öffnete. Rasch trat sie in einen Hauseingang. Michel sah zufrieden aus, als er den Schuppen verließ. Einen Tick zu zufrieden, dachte Claire. Sie würde schon herausbekommen, was er in dem Schuppen verbarg. Als sie an der Tür vorbeischlenderte, nahm sie wahr, dass sie nur mit einem einfachen Vorhängeschloss gesichert war.
    Der Calvaire ragte in den blauen Himmel. Ein Mahnmal des Leids. Und der Erlösung. Der Schmerz, den der Bildhauer in das Gesicht der Christusfigur gemeißelt hatte, berührte Marie tief. Es war egal, ob sie an Gott glaubte oder nicht, diese wuchtigen Darstellungen der Kreuzigung Jesu, die man oft in der Bretagne auf Pfarrhöfen finden konnte, war ein beeindruckendes Zeugnis des Glaubens und der künstlerischen Meisterschaft ihrer Schöpfer. Sogar die Tränen auf dem Gesicht Marias, die unter dem Kreuz stand und um ihren Sohn weinte, waren auch nach Jahrhunderten, in denen die Plastik Wind und Wetter ausgesetzt gewesen war, deutlich zu sehen. Und die Trauer der Menschen, die den Mann am Kreuz verloren hatten, war wie mit Händen zu greifen. Marie hatte eigentlich mit Merlin am Strand spazieren gehen wollen, der im Herbst menschenleer war. Aber der Hund hatte sie hierhergezogen. Es war, als hätte er begriffen, dass er Céline nicht mehr in dem niedergebrannten Haus finden konnte. Seit er Paul dorthin abgehauen war, war er kein einziges Mal mehr ausgerissen, um seine Herrin dort zu suchen, wo sie gelebt hatte. Er lief mit langen Sätzen durch den kleinen Friedhof und stand wie angewurzelt vor Célines Grab. Als würde er wissen, wer hier begraben lag. Er fing an, die frische Erde, mit der das Grab bedeckt war, aufzuscharren. Wild und wütend. Marie konnte ihn nur mit Mühe wegziehen.
    Â»Nicht, Merlin, das darfst du nicht.« Sie zog ihn zu einer Steinbank, von der aus sie einen großartigen Blick über die lang gezogene Bucht hatte, an deren Ende auf einer Klippe das Haus stand, in dem Paul wohnte. Der Hund ließ sich mit einem tiefen Seufzer neben ihr zu Boden. Lag nun da wie das sprichwörtliche Häufchen Elend. Den schönen Kopf auf seine Pfoten gelegt, starrte er unverwandt auf Célines Grab. Es rührte Marie, wie der Hund um seine Herrin trauerte.
    Â»Ich weiß, dass du sie vermisst. Ich verstehe das.« Ob Merlin wusste, wer für Célines Tod verantwortlich war? Er war doch in der Nähe gewesen. Würde er das Auto erkennen, wenn er ihm wieder begegnete? Oder sogar den Fahrer? Marie lachte sich insgeheim aus. Jetzt machte sie den Hund schon zum Hilfspolizisten.
    Als der Wind drehte, traf es sie wie ein Schlag, als plötzlich die Schreie ganz

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