Wilde Wellen
zu Ende sein. Ihr Mann würde sich dann daran erinnern, wie schön die Frau einmal gewesen war, die er geheiratet hatte. Frauen werden alt. Männer interessant. Leon wäre niemals auf die Idee gekommen, dass er die Falten, die sich seit einiger Zeit tiefer in sein Gesicht gruben, mit Cremes und Lotionen behandeln müsste. Er würde nicht auf die Idee kommen, dass die grauen Strähnen in seinem dunklen Haar ein Zeichen des Verfalls sein könnten, die man wegretuschieren müsste. Während man von ihr eines Tages sagen würde, dass sie für ihr Alter noch sehr gut aussah, würde Leon einfach nur ein interessanter, attraktiver Mann bleiben. Sie cremte ihr Gesicht sorgfältig mit der teuren Creme ein, die versprach, die Zeichen der Alterung aufzuhalten. Und wusste gleichzeitig, dass es so etwas nicht gab. Noch war sie schön. Noch bekam Leons Blick, wenn er sie ansah, diesen zufriedenen Glanz eines Eroberers, der sich an seiner Beute freute. Sie musste die Zeit, die ihr blieb, klug nutzen.
Leon blieb in der Schlafzimmertür stehen. Er wünschte, er hätte den Gedanken, der wieder in ihm aufstieg, aus seinem Gehirn verbannen können. War es möglich, dass es Claire war? Claire, eine Erpresserin? Aber wieso sollte sie so etwas tun? Sie hatte alles, was sie wollte. Und wenn sie ihn um eine Million bat, würde er sie ihr sofort geben. Als Claire Leons nachdenklichen Blick im Spiegel hinter sich sah, drehte sie sich zu ihm um. Ihr Zeigefinger fuhr über seine Stirn.
»Du machst dir schon wieder Sorgen. Das ist nicht gut für dich.« Der Kuss, den sie ihm gab, war intensiver als sonst. Ihre Zunge fuhr tief in seinen Mund. Das kleine Stöhnen erregte Leon.
»Lass mich dir helfen, auf andere Gedanken zu kommen.« Ihre Stimme klang rau. Als ihre Hand über seinen Rücken fuhr, überkam ihn ein Zittern. Sie wollte ihn noch immer. Nach so vielen Jahren hatte sie immer noch Lust auf ihn. Leon schüttelte die düsteren Gedanken, die er gehabt hatte, von sich. Und überlieà sich seiner Erregung. Seine Hände wanderten unter ihren seidenen Kimono, fühlten ihre harten Brustwarzen. Ihr Lachen klang jung und mädchenhaft, als sie seine Hose öffnete und seiner Erregung nachspürte.
»Wie schön«, flüsterte sie, »es fühlt sich an, als wolltest du dasselbe wie ich. Komm. Ich will, dass du zu mir kommst, mein Liebster.«
Wie so oft war es vor allem ihre ungezügelte Lust, die ihn den Verstand verlieren lieÃ. Dass sie ihn begehrte, hatte ihn schon damals, als sie sich das erste Mal liebten, aus der Fassung gebracht. Diese wunderschöne Frau mit der hell schimmernden Seidenhaut lieben zu dürfen war jedes Mal wie ein unerwartetes und unverdientes Geschenk. Das er dankbar und voller Leidenschaft annahm. Wieso konnte nicht alles so einfach sein wie dieses Liebesspiel, das nur aus Begierde und Erregung zu bestehen schien? Das ihn auf die höchsten Höhen der Lust trug? Als er in sie eindrang, war für diesen glückseligen Moment alles vergessen. Es gab nur Claire und ihn. Keinen Erpresserbrief. Keine Angst, alles zu verlieren. Keine Trauer um Céline. Nichts war wichtig. Und wenn das Leben in dem Moment, als er mit einem kaum verhaltenen Schrei zum Höhepunkt kam, zu Ende gewesen wäre, wäre es gut so gewesen.
Als Paul im Flugzeug nach Brest die Unterlagen, die ihm Florence LaRue mitgegeben hatte, durchsah, konnte er nicht leugnen, dass sie ihn beeindruckten. So wie der ganze Abend mit der schönen Asiatin ihn beeindruckt hatte. Diese Frau wusste genau, was sie wollte. Und nun wollte sie anscheinend ihn für dieses Projekt in ihrem Heimatland, das ihr sehr am Herzen zu liegen schien. Alles, was sie gesagt und vorgeschlagen hatte, hatte Hand und Fuà gehabt. Das Projekt war bis ins letzte Detail ausgearbeitet. Sie hatte sogar schon mit Clement Dafure gesprochen, einem jungen Wissenschaftler, der einige Zeit Pauls Assistent gewesen war bei seinen Forschungen im asiatischen Raum. Clement würde sehr gern wieder mit Paul arbeiten. Und dann war da noch die Finanzierung. Erst einmal war vorgesehen, dass das Projekt drei Jahre lang komplett von Florence LaRue finanziert werden würde. Das war mehr als groÃzügig. Er wäre ein Idiot, wenn er nicht auf dieses Angebot eingehen würde. Sollte er es einfach machen? Er könnte danach nach Brest zurückkehren, auch das war Teil des Vorschlags, und sich dann
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