Wilde Wellen
gelungen war, sein Schiff und seine Mannschaft sicher durch den Sturm zu führen. Doch, als Michel angefangen hatte zu trinken und irgendwann schon den Tag mit einer halben Flasche Aquavit begonnen hatte, hatte Monique angefangen, Fragen zu stellen. Immer und immer wieder hatte sie gebohrt. Bis eines Tages die Wahrheit aus ihm herausgeplatzt war.
»Du musst zur Polizei gehen und alles gestehen.« Moniques Haltung war klar. Es interessierte sie nicht, dass Michel Leon sein Leben verdankte. Leon hatte zwölf Männer auf dem Gewissen. Und selbst wenn er ihren Tod nicht beabsichtigt hatte, musste er dafür sühnen. Michel war nicht fähig gewesen, Moniques Bitte, die ganz schnell zu einer Forderung geworden war und dann zur Bedingung, wenn sie bei ihm bleiben sollte, zu entsprechen. Er hatte sich für seine Treue zu Leon entschieden. Und seine Frau war mit seiner Tochter aus seinem Leben gegangen.
Was sollte es für einen Zweck haben, Marie dies alles zu erzählen? Auch wenn er von der Bombe nichts gewusst hatte, er hatte die Täter gedeckt. Allein dafür musste er bestraft werden. Aber sollte er wirklich jetzt, da François und Leon tot waren und nicht mehr zur Rechenschaft gezogen werden konnten, noch zur Polizei gehen? Sollte er nun auch das Leben von Claire und Caspar, die Leon geliebt hatten zerstören? Nicht nur dass sie damit leben müssten, dass Leon ein Betrüger gewesen war, verantwortlich für den Tod seiner Männer, würde sie verzweifeln lassen. Sie würden, da die Versicherung die Summe, die sie damals gezahlt hatte, zweifelsohne zurückfordern würde, alles verlieren. Sie würden gedemütigt und mittellos zurückbleiben. Die letzten unschuldigen Opfer von Leons Machenschaften. Das wollte Michel ihnen nicht antun. Also würde er demütig die schlimmste Strafe annehmen, die er sich vorstellen konnte. Er würde, und dieses Mal endgültig, seine Tochter verlieren.
Paul erwachte aus seinem tiefen Schlaf. Er sah sich um. Wo war er? Es sah aus, als wäre er in einer Hütte. Die rohen Holzwände, das schmale hölzerne Bett mit der dünnen Matratze, ein kleiner, aus Brettern zusammengezimmerter Tisch und davor ein einfacher alter Stuhl, das alles konnte er im flackernden Licht eines Kaminsfeuers erkennen.
»Hallo?« Er hatte keine Ahnung, wo er war. Und wie er hierhergekommen war. Konnte es sein, dass diese Hütte Leon gehörte? In dem Moment, in dem er sich die Frage stellte, sah er verschwommen Leons Gesicht vor sich.
»Halten Sie durch, ich hole Hilfe.« Bevor er fragen konnte, wieso er noch am Leben sei, war Leon im Nebel verschwunden und hatte ihn am Rand der Klippe liegen lassen. Pauls Hand fuhr unter das raue leinene Hemd, das er anhatte. Die Wunde? Hatte er nicht aus einer Schusswunde geblutet, als er an der Klippe hing? Er stand auf. Und zu seinem Erstaunen fühlte er sich nicht schwach. In einer Spiegelscherbe, die an der Wand über dem kleinen Kamin hing, sah er sein Gesicht. Keine Schramme, keine Wunde. Im Gegenteil, er sah frisch und rosig aus. Langsam hob er das Hemd. Und es bestätigte sich, was er gefühlt hatte. Seine Brust war unversehrt. Da war keine Wunde. Keine Spur von Blut. Hatte er sich alles nur eingebildet? Waren der Schuss und sein Sturz nur ein Traum gewesen, aus dem er gerade erwachte?
»Ich sehe, es geht Ihnen gut« Hinter Paul trat der Schäfer in die Hütte. Natürlich, ihm musste sie gehören. Wieso war er nicht gleich darauf gekommen, als er den langen Stock an der Wand gesehen hatte und die Gerätschaften, von denen er jetzt wusste, dass man mit ihnen Käse herstellen konnte.
»Was ist passiert? Haben Sie mich gerettet?«
Xavier Leonard gab Paul einen Schluck von der frischen Schafsmilch, die er gerade gemolken hatte und reichte ihm einen Kanten Brot, den er aus einem Baumwollsack nahm.
»Essen Sie, das wird Ihnen guttun.«
»Hat sich Leon Menec bei Ihnen versteckt? Sagen Sie ihm, dass ich ihn sprechen will. Ich will mich bei ihm bedanken. Er hat mir wohl das Leben gerettet.«
Der Schäfer lächelte. Und schwieg. Pauls Irritation wuchs.
»Oder hab ich mir das alles nur eingebildet? Bin ich einfach mit dem Motorrad gestürzt und habe mir den Kopf angeschlagen? Verdammt, jetzt reden Sie doch endlich.«
»Ihre Mutter würde sagen, Ihre Zeit ist noch nicht gekommen.«
»Meine Mutter? Die mich sofort nach der Geburt einfach weggegeben
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