Wilde Wellen
hat? Wenn Sie von Céline Marchand sprechen, sie hat keine Ahnung von mir gehabt.« Paul hatte genug von dieser merkwürdigen Situation. Er suchte seine Sachen zusammen, die frisch gewaschen über dem Stuhl und dem Kopfende des Bettes hingen. Er zog sie hastig an. Er musste nach Hause. Er musste zu Marie, die sich sicher schon Sorgen um ihn machte.
»Was auch immer Sie für mich getan haben, ich danke Ihnen. Aber jetzt muss ich gehen.«
»Sie sollten versuchen, Céline zu vergeben.«
»Ach ja? Wieso sollte ich das? Weil sie Angst gehabt vor einem Leben als alleinerziehende Mutter? Ich sag Ihnen was, es gibt Tausende von Frauen, die es schaffen, allein für ihr Kind zu sorgen. Wenn sie mich gewollt hätte, hätte sie mit mir leben können.«
»Eben das sollten Sie verzeihen, dass sie nicht die Kraft gehabt hatte, es zu wollen. Dass sie sich gegen Sie entschieden hat, um den Mann, den sie liebte, nicht zu verlieren.«
»Soweit ich weiÃ, gab es in ihrem Leben keinen Mann. Also hat sie ihn trotzdem verloren. Obwohl sie mich ihm geopfert hat.«
»Sie hat ihn nicht verloren. Weil sie ihn nie besessen hatte. Obwohl sie ihm näher war, als irgendein anderer Mensch.«
Pauls Ungeduld wuchs. Er wollte nicht mehr an Céline Marchand denken. Und im Grunde wollte er ihr auch nicht verzeihen.
»Legen Sie den Hass ab, den Sie in Ihrem Herzen tragen. Sie können nie sicher sein, ob er nicht irgendwann anfängt, Ihr Leben zu vergiften. Céline hat ihre Schuld gesühnt. Sie war ein einsamer, unglücklicher Mensch, der sich nicht verzeihen konnte, ein einziges Mal im Leben einen Fehler zu machen. Sie sind Ihr Sohn. Sie hat Ihnen das Leben geschenkt. Allein deswegen sollten Sie aufhören, Sie zu hassen.«
Als Caspar aus dem Schloss auf sein Auto zurannte, kam ihm Eva entgegen.
»Wo bist du den ganzen Tag gewesen? Ich muss mit dir reden.«
»Tut mir leid, ich hatte zu tun. Lass uns morgen reden, ja?« Er umschlang sie brüderlich mit einem um Vergebung heischenden Lächeln.
»Ich hab noch einen Termin. Sorry, Schwesterchen.«
Sie hielt ihn am Arm fest.
»Kannst du dir vorstellen, wieso dein Vater eine Million in bar abgehoben hat?«
Caspar lachte hell auf. Woher sollte er das wissen? Vielleicht wollte er Claire ein Haus schenken? Oder sich eine Schwimmhalle bauen lassen.
»Was weià ich, mein Vater hat sich nicht in seine Pläne sehen lassen.«
»Kann es sein, dass es eine andere Frau gibt, mit der er vielleicht abgehauen ist?«
Caspar konnte sein Amüsement über Evas Vorstellungen kaum verbergen. Sein Vater würde sich doch nicht mit einer Million zufriedengeben. Die würde gerade mal ein halbes Jahr reichen, wenn man den Luxus bedachte, den er gewohnt war. Und auÃerdem, wenn Caspar etwas sicher wusste, dann, dass sein Vater keine andere Frau hatte. Er hatte Claire geliebt. Und ihn. Und er hätte sie beide nie wegen irgendeiner Affäre verlassen.
»Vielleicht hat er das Geld jemandem gegeben, der es braucht. Was weià ich.«
Noch ein Kuss und dann fuhr er mit seinem Bulli davon. Dass er dieses Auto, das er vor ein paar Jahren einer verkifften Truppe Surfer abgekauft hatte, zurücklassen musste, kränkte ihn wirklich. Er würde es vermissen. Mehr als alles andere.
Er machte das alte Radio an, als er Richtung Concarneau brauste. »Surfinâ« von den Beach Boys schien den alten VW -Bus regelrecht durchzuschütteln. Caspar sang die Hymne aller Surfer lauthals mit. Ein endloser Sommer lag vor ihm.
Leon küsste Sabine zärtlich auf die Wangen.
»Ich danke dir, Sabine.«
»Was wirst du jetzt tun?« Sabine hatte sich gefreut als Leon aus dem Nebel aufgetaucht war. Er habe sich verlaufen, sagte er. In Gedanken versunken hätte er nicht auf den Weg geachtet und plötzlich nicht mehr gewusst, wo er war. Wenn er nicht zufällig auf den Schäfer gestoÃen wäre, der ihm den Weg zurück zu Sabines Haus gewiesen hatte, wäre er inzwischen wahrscheinlich in Biarritz.
»Ich werde nach Hause gehen. Und ich werde meiner Frau und meinem Sohn sagen, wer ich bin. Und was ich getan habe. Ich hoffe, sie werden mir verzeihen. Vielleicht können sie ja sogar zu mir halten. Und auf mich warten, wenn ich ins Gefängnis gehe.«
Sabine zog Leon an sich. Er war schon lange nicht mehr der gedankenlose junge Mann, der keine Skrupel gehabt hatte, wenn es darum ging, reich und
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