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Wilde Wellen

Wilde Wellen

Titel: Wilde Wellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Sadlo
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Wunsch bei der Renovierung zu erfüllen. Und sie hatte Geschmack und Stil bewiesen. Das Haus war ihm und seiner Familie wirklich ein Heim geworden.
    Seltsamerweise empfand er bei dem Gedanken, dass ihm das Schloss die längste Zeit gehört haben würde, wenn er erst einmal zur Polizei gegangen wäre, nicht das geringste Bedauern. Es würde verkauft werden, genau wie seine Firma, um mit dem Erlös die Versicherungssumme, die er sich damals erschlichen hatte, zurückzuzahlen. Selbst wenn er nicht im Gefängnis landen würde, was angesichts der Zeit, die vergangen war und der Tatsache, dass sich nicht beweisen ließ, dass er eine Bombe gelegt hatte, durchaus möglich war, würde er sich ohne Mühe damit abfinden, noch einmal von vorne anzufangen. Er dachte an Sabines warmen weichen Körper, den er gerade noch geliebt hatte. Es war wie eine Erinnerung an gute Zeiten gewesen. Und wie ein Versprechen für die Zukunft. Hatte er tatsächlich eine Zukunft mit dieser großartigen Frau? Die ihn liebte. Aber nicht brauchte. Die ihm zum Abschied gesagt hatte, dass sie ihn immer lieben würde. Dass sie aber nicht erwartete, dass er noch einmal zu ihr zurückkehren würde. Denn sie wusste, dass er mit Claire glücklich gewesen war. Und ja vielleicht auch wieder sein könnte. Unsicher lauschte Leon in die morgendliche Stille des Schlosses. Einfach umzudrehen und wegzugehen war der Impuls, der in ihm erwuchs. Aber er war so lange ein Feigling gewesen. Sein neues Leben wollte er nicht mit einem mutlosen Rückzug beginnen. Jetzt wehten von Ferne die Klänge der indischen Melodien an sein Ohr, die Claire immer hörte, wenn sie ihre Qui-Gong-Übungen machte. Er hatte nie verstanden, was sie an dieser fremden Musik so beruhigend fand, die ihn eher nervös machte. Sollte er sie stören? Sie hasste es, bei ihren Übungen unterbrochen zu werden. Er beschloss zu warten. Eine halbe Stunde Galgenfrist, dachte er und verzog das Gesicht. Eine halbe Stunde und dann würde er seine Frau mit der Wahrheit über sich konfrontieren. Vielleicht würden sie dann auch Caspar wecken, denn was er zu sagen hatte, ging auch ihn etwas an. Er wusste nicht, ob er seinen Sohn darauf ansprechen würde, dass er ihn erpresst hatte. Vielleicht würde er stillschweigend über das Vorgefallene weggehen. Und seinen Sohn im Glauben lassen, dass er nicht wusste, was er getan hatte. Möglicherweise konnte der Junge nun mit der erpressten Million weggehen. Und woanders ein neues Leben anfangen. Möglicherweise war er ihm das sogar schuldig.
    Als Leon sein Büro betrat, roch er sofort den Duft von Claires Maiglöckchenparfum. Also war sie in seinem Büro gewesen. Was hatte er anderes erwartet? Sie musste glauben, dass er tot sei. War es da nicht das Natürlichste, dass sie sich mit seinen Unterlagen vertraut machte? Vielleicht hatte sie nach seiner Lebensversicherung gesucht. Oder auch nur nach den Papieren für seinen Jaguar. Es war egal. Was immer er auch vor ihr verborgen hatte, jetzt wollte er es ihr sowieso erzählen.
    Er setzte sich an den großen Schreibtisch, den er bei einem Pariser Antiquitätenhändler erstanden hatte. War es Wehmut, die er fühlte, als er über das glatt polierte Holz strich. Ein wenig Wehmut durfte er sich schon zugestehen in diesem letzten Augenblick, in dem sich alles noch einmal so anfühlte wie immer. In einer halben Stunde würde alles vorbei sein.
    Claire tauchte selbstvergessen in das Ritual ihrer Übungen ab. Zum ersten Mal seit Leons Verschwinden war sie aufgewacht und hatte das Bedürfnis gehabt, ihren Körper durch die traditionellen Bewegungen des Qi-Gong zu trainieren. Kaum waren die ersten Klänge der Musik durch den weitläufigen Gymnastikraum geschwebt, war sie automatisch in das sanfte Dehnen und Strecken geglitten, das nicht nur der körperlichen Ertüchtigung diente, sondern auch der geistigen Konzentration. Alles, was sie in den letzten Tagen bis an den Rand der Erschöpfung beschäftigt hatte, war weit weg. Sie war Ruhe. Und sie war ganz bei sich selbst.
    Als sie eine halbe Stunde später aus der Dusche kam und durch die Halle zu ihrem Schlafzimmer gehen wollte, um sich für den Besuch bei Maître Jumas fertigzumachen, sah sie, dass aus Leons Büro ein Streifen Licht in die noch dunkle Halle fiel. War Caspar dort? Erschrocken dachte sie an die Papiere, die sie unter die ledernde Schreibunterlage

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