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Wilde Wellen

Wilde Wellen

Titel: Wilde Wellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Sadlo
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durchsichtig blass. Ein zartes Mädchen, um das man sich sorgen musste. Um das er sich sorgen würde.
    Â»Ich freu mich«, hörte er ihre zaghafte Stimme. »Ich freu mich auf mein Zuhause.«
    Michel musste schnell den Kopf wegdrehen. Sie sollte nicht sehen, dass ihm die Tränen in die Augen geschossen waren. Sollte wirklich alles gut werden? Sollte er wirklich eine zweite Chance bekommen? Falls ja, war er fest entschlossen, sie zu nutzen. Er würde seine Tochter zurückgewinnen. Egal wie groß die Opfer für ihn werden würden.
13
    Â»Ihr Vater hat sie mitgenommen?« Thomas Berger sah Dr. Lenoir fassungslos an. »Sie hat nie von einem Vater geredet. Sie hatte nur noch eine Mutter, und die ist vor ein paar Jahren gestorben.«
    Dr. Lenoir hatte keine Zeit, sich den Fragen des aufgebrachten Mannes zu stellen. Marie Lamare war von ihrem Vater mit nach Hause genommen worden, wo er sich um sie kümmern würde. Mehr wusste er nicht. Mein Gott, die Polizei hatte dem Krankenhaus die Telefonnummer dieses Monsieur Dumont gegeben, eine Mobilfunknummer wohlgemerkt, man hatte ihn angerufen, und er war gekommen und hatte seine Tochter mitgenommen. Ein ganz normaler Vorgang. »Michel Dumont?« Thomas war wütend. Wie sollte er einen Michel Dumont finden? Es gab Tausende Franzosen mit diesem Allerweltsnamen. Wo sollte er anfangen, Marie zu suchen? Und das musste er doch tun. Sie konnte doch nicht einfach aus seinem Leben verschwinden. Gerard Manzel, Maries Chef bei der Polizei, versuchte Thomas zu beruhigen. Sie würde schon wieder auftauchen, wenn sie erst wieder ganz gesund wäre. Thomas konnte es nicht glauben – auch Gerard machte sich keinerlei Sorgen darum, wo Marie abgeblieben sein konnte. Wieso auch? Gerard hatte Michel an Maries Krankenbett gesehen. Einen gebrochenen Mann, der vor Sorge um seine Tochter fast umkam. Sie war gut aufgehoben bei ihm, keine Frage. Er würde sie aufpäppeln. Und wenn sie wieder fit wäre, und wenn sie vor allem ihr Gedächtnis wiederhätte, würde sie sich melden. Auch bei Thomas. Bis dahin blieb ihnen allen nichts anderes übrig, als sich in Geduld zu üben. Geduld! Seine Freundin war angeschossen worden, sie war fast gestorben. Und als er in London endlich davon erfahren hatte, war sie aus dem Krankenhaus verschwunden. Und in dieser Situation verlangte man von ihm, dass er abwartete. Tatenlos herumsaß und darauf wartete, dass Marie eines Tages wieder auftauchte. Und was, wenn das nicht passierte? Wenn sie einfach verschwunden blieb? Sollte er dann vielleicht so tun, als hätte es Marie nie gegeben? Wie in Trance durchsuchte Thomas Maries Wohnung. Es musste hier doch einen Hinweis auf diesen Vater geben, von dem sie nie geredet hatte. Ein Foto. Eine Telefonnummer. Eine Adresse. Doch er fand nichts. Nicht das geringste Zeichen dafür, dass es in Maries Leben einen Mann gab, der Michel Dumont hieß. Und ihr Vater war.
14
    Â»Marie Lamare. Marie Lamare. Marie Lamare.« Marie saß am Fenster ihres Zimmers und starrte auf den kleinen Hafen. »Marie Lamare. 28 Jahre. Marie Lamare. Concarneau. Marie Lamare. Café du Port .« Mechanisch murmelte sie die Worte vor sich hin. Verzweifelt. Es musste doch Erinnerungen geben, die zu den Fakten passten, die Michel ihr nach und nach mitteilte. Es musste doch Bilder dazu geben. Gefühle.
    Wie sehr hatte sie gehofft, dass die Erinnerung sich einfach wieder einstellen würde, sobald sie in ihrem Elternhaus angekommen war. Sie lebte doch hier. Sie hatte ihr ganzes Leben in dem kleinen, verwinkelten Haus am Hafen verbracht. Doch da war nichts. Nichts, als sie die enge Stiege hinter Michel hinauf in ihr kleines Dachzimmer gegangen war, nichts, als sie sich auf ihr Bett legte und die zartgrüne Papierlampe über sich an der Decke sah, nichts, als Michel ihr das Töpfchen Hummersuppe brachte, die er für ihre Mutter kreiert hatte und die angeblich ihr absolutes Lieblingsgericht gewesen war. Wer war diese Fremde, die ihr da aus dem Spiegel entgegensah? Diese junge Frau mit den dunklen Haaren und dem leeren Blick. Wer war Marie Lamare?
    Während Marie sich quälte, versank Michel in Selbstvorwürfen. Es brach ihm fast das Herz, wenn er sah, wie seine Tochter mit verschlossenem Gesicht wieder einmal das Haus verließ, um sich in der Stadt umzusehen, in der sie anscheinend aufgewachsen war. Er wusste, dass sie versuchte, Erinnerungen zu finden, dass sie verzweifelt

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