Wilde Wellen
verflucht.
»Verdammt, kannst du nicht aufpassen? Du bist mir auf die Hand getreten.«
Caspar lag zusammengekrümmt im Sand und fauchte sie an wie ein wütender Kater. Céline hatte ihn in der Dunkelheit nicht gesehen.
»Um Gottes willen, Caspar. Geht es dir gut?«
Eine überflüssige Frage. Es ging ihm nicht gut. Sie wusste zu genau, was es zu bedeuten hatte, wenn sie ihn hier fand. Sie nahm seinen Arm.
»Komm, ich bringe dich nach Hause.«
»Lass mich in Ruhe, alte Hexe.« Er schob sie mit aller Kraft von sich weg.
»Du weiÃt ganz genau, dass das keine Lösung ist. Wieso lässt du dich immer wieder â¦Â«
»Hau ab«, schrie er sie an. »Wieso wissen immer alle, was gut für mich ist?«
»Ich weià nur, was nicht gut für dich ist. Und du weiÃt es auch.«
Sie wusste schon lange von seinem Suchtproblem. Als es vor ein paar Jahren anfing, war sie die Erste gewesen, der aufgefallen war, wie er sich veränderte. Sie hatte damals versucht, Claire auf Caspars Problem aufmerksam zu machen. Doch Claire hatte abgewinkt. â Caspar? Ihr Caspar sollte Drogen nehmen? Was für ein Quatsch. Sie hatte nicht auf Céline hören wollen, hatte Caspars Veränderungen auf die Pubertät geschoben und auf seinen ersten Liebeskummer. Bis sie ihn dann eines Tages in seinem Zimmer gefunden hatte mit einer Ãberdosis. Caspar war damals im letzten Moment gerettet worden. Und hatte es erst vor einem halben Jahr geschafft, aus dem Teufelskreis der Drogen zu entkommen. Das hatten wenigstens alle geglaubt. Aber als sie ihn da so liegen sah, als sie seine Aggressionen spürte, hinter denen sich nichts anderes als eine furchtbare Angst verbarg, war sich Céline nur allzu sicher, dass es wieder angefangen hatte.
»Komm«, sagt sie, »lass mich dir helfen.«
»Ich brauche deine Hilfe nicht. Es geht mir gut. Lass mich einfach in Ruhe.«
Er stand schwankend vor ihr. In seinen Augen lag ein unnatürlicher Glanz.
»Bonne nuit, Céline. Ich geh jetzt schlafen. Angenehme Träume wünsch ich dir.«
Er stapfte durch den weichen Sand davon. Unsicher. Stolpernd. Ob Claire wusste, dass er wieder etwas nahm? Ob sie mit ihr reden sollte?
»Ach ⦠und, Céline, kein Wort zu meinen Eltern, ja?« Sein Lachen hatte einen hysterischen Klang, als er sie durchdringend ansah. »Mein Vater soll nicht glauben, dass er seine Firma einmal einem Junkie übergeben muss.«
Dass er sich selbst als Junkie bezeichnete, war vielleicht ein Anfang. Nur wer sich eingestand, dass er ein Suchtproblem hatte, konnte damit anfangen, es zu bekämpfen.
Aber konnte er es allein schaffen? Caspar war so labil. So voller Unsicherheit. Ein Junge, der Angst davor hatte, den Erwartungen, die in ihn gesetzt wurden, nicht entsprechen zu können. Céline hatte von Anfang mit Sorge beobachtet, wie Claire versucht hatte, ihren kleinen Sohn zum Kronprinzen der Firma Menec zu erziehen. Schon als Sechsjähriger hatte er geschliffene Manieren gehabt. War charmant und viel zu klug für sein Alter gewesen. Er hatte die Namen aller Schiffe, die Leon gehörten, auswendig gewusst, hatte die Fische gekannt, die in Leons Firma verarbeitet wurden, hatte alle Fanggründe auf den Seekarten in Leons Büro aufzeigen können. Man hatte den Eindruck gehabt, dass es ein Spiel für den kleinen blonden Jungen war, bei seinem Vater auf dem Schoà zu sitzen und seinen wichtigen Telefonaten zu lauschen. Doch Céline hatte nie die Schärfe in Claires Stimme vergessen, wenn Caspar sich einmal mit den Bruttoregistertonnen vertan hatte oder mit den Namen der Besatzungen der jeweiligen Schiffe. Für Claire war die Erziehung ihres Sohnes zu Leons Nachfolger nie ein Spiel gewesen. Sie hatte einen Masterplan, und in den hatte sich Caspar einzufügen. Und das hatte er. Bis er bei einer Party zum ersten Mal Ecstasy genommen hatte und es ihm schlagartig klar geworden war, dass er sich damit auf eine Realitätsebene flüchten konnte, auf die ihm seine Mutter nicht folgen konnte. Die Drogen waren seine Lebensretter geworden.
»Ich hab es im Griff, Céline. Dieses Mal hab ich es wirklich im Griff. Ich brauch nur noch ein bisschen Zeit, dann â¦Â«
»Wenn du glaubst, dass die Drogen dir helfen, dann irrst du dich.«
»Ich helf mir schon selbst. Du wirst sehen, nicht mehr lange und ich bin aus allem raus.«
Jetzt lieà er sie endgültig stehen. Er
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