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Wilde Wellen

Wilde Wellen

Titel: Wilde Wellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Sadlo
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Träumen. Und vor ihren Erinnerungen. Sie hatte das Haus gefunden, als sie damals nach Hause zurückgekommen war, ohne das Kind, das sie geboren und von dem sie keiner Menschenseele erzählt hatte. Die Fenster waren eingeschlagen gewesen, das Reetdach verfault, der Fußboden von Vandalen herausgerissen. Der Besitzer hatte das Haus für unbewohnbar erklärt und es ihr zu einem niedrigen Preis verkauft. Er war sich sicher, dass der neue Besitzer das alte Gemäuer nur noch abreißen konnte, um dann ein neues Haus an den einsamen Ort zu bauen. Céline hatte sofort gewusst, dass dieses Haus zu ihr passte. Eigentlich war es wie sie. Man konnte seine frühere Schönheit gerade noch erahnen. Aber dazu musste man darüber hinwegsehen, dass es eigentlich nur noch eine Ruine war. Leon hatte sie eine Närrin genannt, als sie ihm sagte, dass sie ausgerechnet dieses Haus gekauft hatte. Michel war sich sicher gewesen, dass sie sich finanziell total übernehmen würde mit dem Vorhaben, das Haus zu restaurieren. Der ganze Ort hatte über sie gelächelt. Und gespannt darauf gewartet, dass sie aufgeben würde. Doch unerwarteterweise hatte sich alles zum Guten gefügt. Es hatte sich herausgestellt, dass die Substanz des Hauses noch sehr gut war. Kein Schimmel in den Mauern, kein Pilz in der Holzkonstruktion des Daches. Das Grundstück hatte sogar einen eigenen Brunnen. Und so war es geschehen, dass nach einem langen Jahr unendlicher Arbeit und Mühe, Céline in ihr Haus einziehen konnte. Und so wie aus der Ruine ein wirkliches Kleinod entstanden war, so hatte sich auch Célines zerbrochenes Leben zu einem neuen zusammengefügt. Es war ganz bestimmt nicht das Leben, das sie sich als kleines Mädchen erträumt hatte, wahrlich nicht. Aber es war das bestmögliche Leben, das sie erreichen konnte. Und das sie sich selbst zugestanden hatte. Als vor zehn Jahren dann auch noch eines Tages dieser winzige weiße Welpe vor der Tür gesessen und sich ganz unverfroren in ihr Leben gedrängt hatte, war eigentlich alles gut gewesen. Merlin war zu einem bildschönen, sanften, treuen Schäferhund herangewachsen, der Céline besser zu verstehen schien als all die menschlichen Wesen um sie herum. Céline hatte eine Zeitlang Xavier, den Schäfer, in Verdacht gehabt, dass er ihr das Hundebaby vor die Tür gelegt hatte, doch Xavier hatte abgewinkt.
    Â»Merlin hat seinen Weg zu dir ganz allein gefunden. Du weißt ja, es gibt Tiere, die haben es im Gespür, wenn ein Mensch sie braucht.«
    Sie hatte abwehrend erklärt, dass sie niemanden brauchte. Auch keinen Hund. Sie käme schon allein zurecht.
    Â»Jeder braucht jemanden, sonst verkümmert er.« Der Schäfer ahnte, dass Céline nur keine Verantwortung übernehmen wollte. Nicht einmal für ein Tier. Ihre Scham war so groß gewesen, dass sie glaubte, sie wäre nicht fähig, sich um irgendjemanden zu kümmern. Geschweige denn, jemanden zu lieben. Nicht einmal einen Hund. Aber Merlin hatten Célines Vorbehalte nicht interessiert. Der kleine Hund war einfach nicht mehr weggegangen. Er hatte vor ihrer Tür gelegen, wenn sie morgens aufstand, und vor dem Bürogebäude, in dem sie arbeitete, gewartet, wenn sie abends nach Hause ging. Bei Sturm und Regen hatte er auf ihrer Türschwelle gelegen. Hatte nicht um Futter gebettelt und nicht um Einlass gewinselt. Aber wenn sie ihre Wege am Strand oder durch den Eichenwald ging, war er an ihrer Seite gewesen. Und eines Tages hatte sie, wie unabsichtlich, die Tür offen gelassen, als sie zusammen zum Haus gekommen waren. Aber Merlin war nicht eingetreten. Er hatte vor der offenen Tür gesessen, bis Céline ihn, quasi offiziell, in ihr Haus gebeten hatte. Wohl wissend, dass sie ihn damit auch in ihr Leben bat. Und Merlin hatte sich des Geschenks, das ihm Céline mit ihrer Aufforderung gemacht hatte, als würdig erwiesen. Nie hatte er um Futter gebettelt. Nie hatte er versucht, auf dem Sofa zu schlafen oder gar in ihrem Bett. Er hatte seinen Platz vor dem Kamin auf dem bunten Kelim bezogen, den Céline extra für ihn gekauft hatte, und hatte sich so hingelegt, dass er Céline bei jedem ihrer Schritte beobachten konnte. Den Kopf auf die dicken, weichen Pfoten gelegt, folgten seine Augen seiner Herrin. Nur wenn sie nervös war oder traurig, dann kam er so nah zu ihr heran, dass sie die Wärme seines Körpers spüren konnte. Sie hatte nie viel

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