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Wilde Wellen

Wilde Wellen

Titel: Wilde Wellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Sadlo
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Hunden pfiff, erfüllte sich die Luft plötzlich mit diesen merkwürdigen Lauten, die wie verzweifelte Schreie klangen. Paul zuckte zusammen. Wie jedes Mal, wenn er in den letzten Tagen die Schreie gehört hatte.
    Â»Können Sie mir sagen, was das ist? Ich meine … Ich vermute, es ist der Wind, der sich in den Felsen fängt. Allerdings … im Moment weht ja kein Lüftchen.«
    Â»Das sind die Schreie der Männer von der Helena .« Der Schäfer sagte das einfach so. Als ob es nicht den geringsten Zweifel an dieser Aussage gäbe. Paul sah ihn verblüfft an.
    Â»Ihre Seelen flehen um Erlösung.«
    Paul hatte vom Untergang des Trawlers Helena schon gehört. Das Schiff von Leon Menec war im Sturm gesunken, zwölf Männer waren ums Leben gekommen.
    Â»Was ist damals eigentlich genau passiert?«
    Â»Es war der erste schwere Herbststurm. Am vierten September. Keiner hatte mit ihm gerechnet. Noch am Tag vorher hatten wir dreißig Grad. Das Schiff kam in den Sturm und ist gesunken. Einfach so abgesoffen. Mit Mann und Maus. Nur ein Mann hat überlebt: Michel Dumont.«
    Paul glaubte, nicht richtig gehört zu haben.
    Â»Michel Dumont? Dem das Café du Port gehört? Er war Matrose?«
    Â»Er war der Kapitän.«
    Das überraschte Paul dann doch. Oder sollte es ihn nicht überraschen? Wie schon öfter überkam ihn das Gefühl, dass in diesem kleinen Landstrich am Ende der Welt alles und jedes miteinander verbunden war. Michel Dumont, Maries Vater, hatte also für Leon Menec gearbeitet. Genau wie Pauls Mutter Céline.
    Â»Es hat ihn schwer getroffen. Aber letztes Endes war es sein Glück.«
    Paul sah den Schäfer fragend an.
    Â»Es war Michels Glück? Sein Schiff und seine Mannschaft verloren zu haben?«
    Â»Ich rede von Leon. Natürlich war es eine Katastrophe. Aber er hatte eine gute Versicherung. Mit dem Geld, das er bekommen hat, hat er den Grundstock für seine neue Firma gelegt.«
    Paul versuchte, diese Neuigkeiten einzuordnen.
    Â»Es gibt keine Erinnerung daran, dass es die Schreie schon vor dem Untergang der Helena gegeben hat. Ich lebe seit mehr als 70 Jahren hier, und ich hatte sie vorher nie gehört. Und die anderen auch nicht.« Der Schäfer sah auf das Meer, wo sich am Horizont eine schwarze Wolkenwand aufbaute.
    Â»Ich glaube nicht an so was. Es gibt für alles eine rationale Erklärung. Ich vermute, dass sich die Felsen an den Klippen nach einem Sturm verschoben haben. Es reichen da manchmal ein paar Zentimeter. Der Wind kann sich darin fangen.«
    Â»Es ist windstill, Monsieur Racine.«
    Paul war überrascht, dass der Schäfer seinen Namen kannte.
    Â»Aber der Sturm wird kommen.«
    Die Hunde hatten die Schafe zusammengetrieben, der Schäfer stieß einen leisen Pfiff aus und ging davon. Schafe und Hunde drängten sich eng um ihn.
    Paul sah ihm nach. Er wollte ihn aufhalten, wollte ihn nach Céline fragen, die der Schäfer ja offensichtlich kannte. Aber Xavier ging seines Weges. Und Paul nahm sich vor, seine Fragen eben bei der nächsten Begegnung mit dem ungewöhnlichen Mann zu stellen.
    Die schwarze Wolkenwand war inzwischen ganz nah, als Céline auf ihr Fahrrad stieg. Der Wind wurde stärker, brachte Regen mit sich. Sie sah, dass Merlin schon voraus in die Dämmerung rannte. Also zog sie die weiße Wollmütze tiefer in die Stirn und fuhr los. Den Kopf tief über den Lenker gebeugt, um dem kalten Regen, der ihr ins Gesicht peitschte, so wenig Angriffsfläche wie möglich zu bieten, kämpfte sie sich auf der schmalen Straße Richtung Menhir.
    Céline sah das Auto, das langsam durch die immer stärker werdende Dunkelheit rollte, nicht. Sie hörte auch das Aufdröhnen des Motors nicht, als der Fahrer des Autos plötzlich Gas gab. Es ging im Rauschen der Wellen und des Windes unter.
    Paul stand fluchend neben dem Menhir. Was für eine saublöde Idee, hier im strömenden Regen zu stehen. Und auf eine Frau zu warten, die er nicht kannte. Er hätte jetzt mit Marie vor dem Kamin sitzen können. Er sah auf die Uhr. Zwei Minuten vor halb acht. Okay, noch zwei Minuten. Aber wenn Céline Marchand nicht wirklich pünktlich war, würde er abhauen. Konnte doch niemand verlangen, dass er bei diesem Wetter noch länger auf sie wartete.
    In dem Augenblick, als Céline die zwei Scheinwerfer des Autos vor sich aus der Dunkelheit auftauchen sah, wusste

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