Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Wilder als der Hass, süsser als die Liebe

Titel: Wilder als der Hass, süsser als die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
Vom Netzwerk:
ihm nicht gleich die Sinne, obwohl sich sein Blick verschleierte. Benommen dachte er darüber nach, daß er keinen so üblen Tag mehr erlebt hatte, seit er Mikhal im Hindukush kennengelemt hatte. Sein ganzer Körper fühlte sich taub an, und er war nicht in der Lage herauszufinden, ob er tödlich verwundet oder nur angeschlagen und atemlos war.
    Von dort, wo er lag, konnte er die Szene bestens beobachten. Er sah, wie sich die Gruppe der unbekannten Reiter teilte, die eine Hälfte die Verfolgung der Turkmenen aufnahm, während die andere Gruppe direkt auf ihn zukam. Nach ihren Kleidern zu schließen waren es Perser, und mit ein wenig Glück waren sie weniger blutdürstig als die Nomaden zuvor.
    Doch als die Reiter näher herankamen, blinzelte Ross überrascht. Er konnte nicht glauben, was er da sah. Was bei allen Teufeln tat ein Tuareg-Krieger in Zentralasien, dreitausend Meilen von der Sahara entfernt?
    Groß, wild und stolz waren die Tuaregs eine Legende unter den Nomaden der tiefen Wüste. Es war auch der einzige moslemische Stamm, in dem die Männer ihre Gesichter verschleierten, die Frauen jedoch nicht. Ross kannte die Tuaregs gut, denn er hatte  monatelang mit ihnen gelebt, als er durch Nordafrika reiste, und es war einfach unfaßbar, einen Targi, wie die Einzelpersonen genannt wurden, so weit von seiner Heimat entfernt vorzufinden.
    Als die Reiter ihn fast erreicht hatten, kämpfte sich Ross erschöpft auf die Füße. Er spürte überall Prellungen, und durch die Risse in seiner Kleidung konnte er blutige Abschürfungen sehen, aber es schien keine ernsthaften Verletzungen zu geben. Er war noch einmal glimpflich davongekommen. Zumindest bisher!
    Die Reiter hielten in kurzer Entfernung zu ihm und starrten ihn an. Ross stellte fest, daß er recht gehabt hatte. Der Reiter in der Mitte trug die fließenden schwarzen Gewänder und den Schleier, der die Tracht der Tuaregs  charakterisierte. Der lange schwarzblaue Schleier, Tagelmoust genannt, war fest um den Kopf und den Hals des Mannes gewickelt und ließ nur einen schmalen Schlitz für die Augen frei. Es wirkte unheilvoll, um es gelinde auszudrücken.
    Außer dem Targi bestand die Gruppe aus drei Persern und zwei Usbeken. Die Mischung war nicht gerade gewöhnlich - vielleicht kamen sie von einem Grenzfort und dienten dem Schah. Ross spürte keine derartige Feindlichkeit, wie sie von den Turkmenen ausgegangen war, doch sie wirkten auch nicht besonders freundlich. Arn wenigsten der Targi, der selbst durch die verhüllenden Lagen seines Schleiers noch eine bedrohliche Ausstrahlung besaß.
    Dezente Anzeichen von Ehrerbietung innerhalb der Gruppe verrieten Ross, daß der Targi der Anführer war. Also sagte Ross in Tamahak, der Sprache der Tuaregs: »Dafür, daß Ihr einen demutsvollen Reisenden aus den Händen der Turkmenen gerettet habt, gebührt Euch die tiefste Dankbarkeit meines Herzens.«
    Das plötzliche Erstarren des Targi ließ vermuten, daß er überrascht war, seine eigene Sprache zu hören, doch natürlich machte es der Schleier unmöglich, etwas aus seiner Miene zu lesen. Nach einem kurzen Augenblick antwortete er in fließendem Französisch: »Ihr Tamahak ist gut, Monsieur, aber ich ziehe es vor, mich in Französisch zu unterhalten, sofern Sie es beherrschen.«
    Der verschleierte Mann hatte kaum mehr als geflüstert, und es war Ross unmöglich, aus diesem tonlosen Geräusch abzuleiten, ob er  alt oder jung war. Mit kühler Beiläufigkeit lud er sein Gewehr,  einen höchst modernen britischen Hinterlader, nach und legte es  lässig über den Sattel. Obwohl die Waffe nicht auf ihn zielte, war  es dennoch unmißverständlich, daß sie durchaus  schnell in seine Richtung abgefeuert werden konnte, falls es nötig  war.
    »Zwei andere Männern waren vorhin bei Ihnen. Wo sind die?« Ross glaubte kaum, daß es ihm nützen würde, wenn er schwieg. »Sie ritten weiter, als mein Pferd stürzte.«
    Der Targi machte eine knappe Geste, und zwei seiner Männer wendeten ihre Pferde und stoben in die Richtung davon, in die Ross' Diener geflüchtet waren. Mit unverhüllter Ironie bemerkte er anschließend: »Sie sollten sich Ihre Leute besser auswählen, Monsieur. Ihre Loyalität läßt stark zu wünschen übrig.«
    »Ein Pferd, das doppelte Last trägt, kann den Turkmenen nicht entkommen. Es liegt keine Weisheit in einem unsinnigen Opfer.« »Sie sind allzu vernünftig, Monsieur.« Desinteressiert stieg der Targi ab und ging zu Ross' verwundetem Pferd hinüber, das

Weitere Kostenlose Bücher