Wilder als der Hass, süsser als die Liebe
Beteuerungen in Teheran, jeden Fels und jeden Busch im östlichen Persien zu kennen. Wenn Ross nicht selbst ein scharfes Auge auf Landkarte und Kompaß geworfen hätte, wären sie inzwischen in Bagdad gelandet.
»Vielleicht sollten wir auf unseren Spuren zurückreiten, bis die Berge wieder vertraut aussehen«, bemerkte er trocken.
Murad warf einen Blick über seine Schulter zurück und zeigte seine Beleidigung über Ross' mangelndes Vertrauen deutlich. Doch plötzlich starrte er an Ross vorbei, und seine Miene verzog sich zu einem Ausdruck echter Angst.
»Banditen!« rief er. »Reitet um euer Leben!«
Ross und Alladah drehten sich ebenfalls in ihren Sätteln um und zählten gut ein halbes Dutzend Reiter in traditioneller turkmenischer Kleidung, die etwa eine Viertelmeile entfernt um eine Biegung herumgeritten waren. Sobald die Turkmenen bemerkten, daß sie entdeckt waren, trieben sie ihre Pferde an und stießen wilde Schreie aus. Einer von ihnen feuerte einen Schuß ab. »Verdammt!« fluchte Ross. »Vorwärts!«
Die drei Männer trieben ihre Pferde in vollem Galopp voran, und Ross betete im stillen, daß der Pfad nicht einfach hinter dem nächsten Felsen aufhören würde. Auf einer freien Fläche sollten sie in der Lage sein, ihre Verfolgern davonzureiten, denn sie besaßen eindeutig die besseren Pferde. Turkmenische Pferde waren zäh und ausdauernd, aber sie waren kleiner, und der monatelange, karge Winter hatte bestimmt an ihren Kräften ge zehrt. Wenn Schnelligkeit allein nicht ausreichte, so hatte Ross immer noch sein Gewehr, obwohl er es vorzog, sowohl aus menschlichen als auch aus praktischen Gründen, niemanden zu erschießen.
Eine ganze Weile sah es so aus, als würden sie sich retten können, denn der Abstand zwischen den beiden Gruppen vergrößerte sich langsam. Doch dann trat Ross' Pferd in das Eingangsloch einer verborgenen Tierhöhle. Das Pferd strauchelte, stürzte mit einem schrillen Wiehern zu Boden und riß das Packpferd mit sich. Mit einer blitzschnellen Reaktion, die sich in dreißig Jahren Reiterfahrung entwickelt hatte, stieß Ross sich aus dem Sattel ab und rollte zur Seite, um nicht unter den stürzenden Pferden eingequetscht zu werden.
In Sekundenbruchteilen geschah alles zugleich. Als Ross sich instinktiv krümmte, um sich abrollen zu können, sobald er auf dem harten Felsgrund aufschlug, brüllte Murad etwas und zügelte sein Pferd in einem kurzen Moment des Zögerns, ob er seinem Arbeitgeber zur Hilfe eilen sollte. Doch sein Überlebenswille siegte, und er gab dem Pferd die Sporen, um die Flucht zu ergreifen. Ross schlug hart auf, dann hüllte gnädige Dunkelheit ihn ein.
Doch nur einen Augenblick später kam sein Bewußtsein zurück. Er lag, nach Atem ringend, auf dem Rücken und spürte einen heftigen Schmerz in seiner linken Seite, die das meiste des Sturzes abgefangen hatte. Die Vibration der donnernden Hufe ließ den Boden erzittern, und er hob den Kopf, um sechs Pferde aus der entsetzlichen Froschperspektive auf ihn zustieben zu sehen.
Sein Hut war ihm vom Kopf gerollt. Beim Anblick des goldblonden Haares ertönte ein Schrei: »Ferengi!«
Im allerletzten Moment, bevor sie ihn zertrampelten, wurden die Pferde herumgerissen. Ihre tanzenden Hufe wirbelten Staub und Steine auf, als die Reiter die liegende Gestalt einkreisten. Ross betrachtete die großen, schwarzen Schaffellhüte, die den Turkmenen einen militärischen Anstrich verliehen, der an die Husaren erinnerte. Sie trugen mongolisches Blut in ihren Adern, und die dunklen Schlitzaugen, die auf den Gefangenen hinabstarrten, zeigten die verschiedensten Regungen von Neugier über Gier bis zu unverhüllter, schlichter Bösartigkeit.
Ross zwang den Nebel in seinem Hirn beiseite. Er mußte nachdenken, denn die Männer waren alle jung, und erfahrungsgemäß war jungen Menschen das Leben weniger wert als alten. Sie konnten ihn im Affekt töten, ohne weiter darüber nachzudenken. Sein Gewehr hing noch an seinem Pferd, welches zwanzig Fuß entfernt auf der Erde lag. : Die rechte Vorderhand stand in unnatürlichem Winkel ab. Das Packpferd hatte sich wieder auf die Füße gekämpft und wirkte unverletzt. In wenigen Augenblicken würden die Turkmenen beginnen, das Gepäck zu plündern, doch noch war er das Zentrum ihrer Aufmerksamkeit.
Als Ross sich aufstützte, knurrte einer der Turkmenen »Russenschwein!« und schlug mit seiner Reitpeitsche zu. Instinktiv hob Ross den Arm, um sein Gesicht vor der Peitsche zu schützen. Doch der
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