Wilder als der Hass, süsser als die Liebe
schwer atmend auf der Seite lag, die Augen glasig vor Schmerz. Nach intensiver Untersuchung des gebrochenen Beines hob der Mann unbewegt die Waffe, stellte den Lauf gegen den Schädel des Pferdes und drückte ab. Als der Schuß die Stille zerriß, zuckten die Glieder des Pferdes krampfartig, dann lag es still. Ross wußte, daß es notwendig war, das Tier zu erlösen, und er hätte es selbst getan, wenn er die Gelegenheit dazu gehabt hätte, doch da war etwas ausgesprochen Erschütterndes an dieser völlig gefühllosen Handlung des Targi.
Schnell lud der verschleierte Mann wieder nach, drehte sich um und hielt Ross in Schach. Er war etwa ein Meter fünfundsiebzig groß, die durchschnittliche Größe der Männer seines Volkes, jedoch groß für einen Araber. Seine leichte Statur und seine geschmeidigen Bewegungen wiesen darauf hin, daß er jung sein mußte, aber seine bedrohliche Aura war alters- und zeitlos. »Sie bluten. Sind Sie verletzt?«
Ross merkte erst jetzt, daß er seine schmerzende Schulter rieb, und ließ augenblicklich die Hand an die Seite fallen. »Nichts von Bedeutung.«
»Sie werden mit uns nach Serevan gehen«, bestimmte der Targi, und es klang nicht wie eine Bitte.
»Als Ihr Gast oder Ihr Gefangener?« fragte Ross trocken.
Die Art, wie der Targi seine Frage ignorierte, war Antwort genug. Statt dessen gab er nun einem seiner Gefährten, der fast noch ein Junge war, auf Persisch einen Befehl.
»Aye, Gul-i Sahari«, antwortete der Junge. Dann stieg er ab und reichte dem Ferengi die Zügel seines Pferdes.
Ross nickte zum Dank und warf dann dem Targi einen Blick zu. »Bitte erlauben Sie mir, meinen Sattel und mein Zaumzeug zu holen.«
Der Targi nickte ungeduldig, und Ross nahm dem toten Pferd das Geschirr ab. Der Sattel konnte in der Zukunft noch nützlich sein -aber was noch wichtiger war: In dem Futter war eine beträchtliche Summe in Gold versteckt, die Ross doch lieber bei sich trug. Er befestigte den Sattel auf seinem Packpferd und stieg dann auf. Einen kurzen Augenblick wunderte Ross sich über den Namen des Mannes, der sich überhaupt nicht nach Tuareg anhörte. Doch dann zuckte er die Schultern - es gab wichtigere Dinge, um die er sich Gedanken machen sollte. Es sah zwar im Moment so aus, als würde er mit dem Leben davonkommen, aber er nahm an, daß es ziemlich teuer werden würde, seine Freiheit wiederzuerlangen. Schlimmer aber als die Summe selbst war die Tatsache, daß es Zeit brauchen würde, sie aufzubringen, und Zeit war weitaus kostbarer.
Während sie sich in östliche Richtung auf die Grenze zubewegten, umringten die Perser sein Pferd und nahmen ihm damit jede Möglichkeit zur Flucht. Er überlegte einen Moment, ob er mit dem Mann, der ihm am nächsten ritt, ein Gespräch anfangen sollte, entschied sich dann jedoch dagegen, denn es konnte durchaus von Vorteil sein, wenn er noch eine Weile für sich behielt, daß er Persisch verstand. Im übrigen hatte die Erfahrung ihn gelehrt, daß es im Zweifelsfalle immer besser war, den Mund zu halten.
Der Ritt dauerte eine gute Stunde lang, der Pfad wurde immer schmaler und steiler, bis sie schließlich hintereinander den Berg hinaufritten. Fast oben angelangt, machte der Weg eine scharfe Biegung, und plötzlich erhob sich eine gewaltige Festung drohend über ihnen.
»Serevan«, verkündete jemand hinter ihm.
Ross zog beeindruckt die Luft ein, denn dieser Ort hatte nichts von einer schäbigen Dorfbefestigung, sondern war eine gewaltige Konstruktion, die an eine feudale Burg erinnerte. Geschickte Bewässerung hatte auf jedem anbaufähigen Stück Boden am Hang und im Tal darunter saftige Wiesen und Obstgärten entstehen lassen, und die Arbeiter, die sich auf den frühlingsgrünen Feldern aufhielten, wirkten kräftig und wohlhabend, ganz im Gegensatz zu den meisten Menschen, die in diesem gefährlichen, oft geplünderten Grenzland lebten.
Wie bei vielen Bauten in Zentralasien bestanden die Mauern der Gebäude und der Festung aus mörtelbedeckten Lehmziegelsteinen, und sie leuchteten blaßgold in der Nachmittagssonne. Als die Truppe durch das Tor hineinritt, bemerkte Ross, daß die Gebäude schon sehr alt aussahen, sie mußten jedoch in den letzten Jahren aufwendig restauriert worden sein. In diesem Teil der Welt gab es viele verlassene Unterschlüpfe, und vielleicht war Serevan bis vor kurzem ein solcher gewesen.
Gul-i Sahari erhob eine Hand, und die Männer zügelten ihre Pferde vor einem Palast, der das Zentrum der Festung bildete. Als
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