Wilder als der Hass, süsser als die Liebe
Samowar. »Natürlich wird Kilburn für die Pferde zahlen, denn er weiß, wie teuer sie sind.« »Es wäre eine Schande, Gold von dem Mann anzunehmen, der meines Vaters Leben gerettet hat«, erklärte Hussayn mit abwehrender Geste. Abwesend streichelte er seinen schwarzen Bart, während er nachdachte. »Es dürfte einfacher sein, die Stadt innerhalb einer Karawane zu verlassen, denn dann sind die Wachen mehr damit beschäftigt, die Waren zu überprüfen. Wenn ihr in einer Nacht aus des Nawabs Haus heraus könnt, in der wir eine Ladung losschicken, könnt ihr euch unter unsere Leute mischen, bis ihr sicher draußen seid. Das beste wäre, wenn ihr euch eine Karawane sucht, die durch das Osttor zieht, denn dort wäret ihr unserem Landhaus am nächsten, wo wir Pferde und Vorräte für euch bereithalten können.«
Juliet hatte gehofft, daß er eben dies vorschlagen würde.
Mit einer Verbeugung sagte sie: »Ausgezeichnet. Weißt du schon, wann ihr in den nächsten Wochen Waren aus der Stadt schaffen wollt?«
Nach kurzer Beratung boten die Kasems ihr verschiedene Daten an, dann wandte sich das Gespräch einem anderen Aspekt des Fluchtplans zu. Als sie zu dritt jeden Punkt behandelt hatten, der Juliet einfiel, erhob sie sich, um zu gehen.
Mit verengten Augen blickte Hussayn sie an. »Dein Persisch ist viel flüssiger, als du auf der Reise durch die Karakum gezeigt hast, Jalal. Bist du wirklich ein Targi?«
Sie zögerte einen Augenblick, um eine Erklärung zu erfinden, die soviel Wahrheit wie möglich enthielt. »Nein, mein Herr, dies ist nur eine Verkleidung. Ich bin auch ein Ferengi. Vor vielen Jahren habe ich ... mich Kilburns Diensten verschworen. Ich durfte nicht zulassen, daß er ohne mich auf solch eine gefährliche Reise geht.« »Ich verstehe«, murmelte Hussayn. »Kilburn hat treue Diener. Aber er ist schließlich auch ein Mensch, dem man gerne ergeben ist. Möge Gott euch beide auf eurer Heimreise beschützen.«
Als sie sich verbeugte und ging, hoffte Juliet inbrünstig, die gute Wünsche des Händlers würden sich bewahrheiten.
Das Warten war hart. Ross hatte an seiner erzwungenen Untätigkeit zu kauen und quälte sich mit der Tatsache, daß er nichts tun konnte, außer sich möglichst unauffällig zu benehmen, so daß er kein Mißtrauen erweckte. Juliet war dagegen sehr beschäftigt, denn niemand versuchte sie im Haus festzuhalten. Nachdem sie sich die Mithilfe der Kasems gesichert hatte, nutzte sie die Unförmigkeit ihres Gewandes aus, um Dinge ins Haus zu bringen, die sie brauchen würden, und andere, die sie auf die Reise mitnehmen wollten, herauszuschmuggeln. Abgesehen von Gold, Waffen und der Buskaschi-Kappe von Dil Assa, wollte Ross nur seine Tagebücher mitnehmen, in denen er seine Beobachtungen über Turkestan und seine Einwohner aufgezeichnet hatte. Natürlich schwiegen die Bücher diskret über das weitaus interessantere Thema seines Privatlebens.
Zwei Dinge machten Ross' Hausarrest erträglich. Das Wichtigste waren die Nächte mit Juliet, die so erfüllend und leidenschaftlich waren, wie er es niemals für möglich gehalten hätte, und sie spiegelten sich in ihrer wunderbaren Kameradschaft in der übrigen Zeit wider. Obwohl der Tod eine allgegenwärtige Drohung war, kam es Ross vor, als wäre er nie zuvor so glücklich gewesen. Wahrscheinlich war es der Tod selbst, der jeden Augenblick mit seiner Frau so unendlich kostbar machte; es schien, als sollte ein ganzes Leben möglichen Glücks in eine Handvoll bezaubernder Stunden gedrängt werden.
Doch ihre Oase der Freude war umgeben von Schranken, die noch undurchdringlicher als die Mauern des Grundstücks waren. Die Themen, die nicht erwähnt werden durften, schlössen viel aus der Vergangenheit und alles aus der Zukunft ein - und keiner von beiden sprach jemals von Liebe.
Ross' andere Zerstreuung waren die Freunde, die ihn auch im Haus des Nawabs besuchten. In einer Stadt, in der es von Spitzeln wimmelte, bedurfte es einer ganzen Menge Mut, einen Mann zu besuchen, der beim Emir in Ungnade gefallen war. Zwei von drei Wachen waren stets im Empfangsraum dabei, wenn Ross seinen Besuch bekam, was allein schon reichte, um alle Gespräche einzuschränken. Zudem mußte Persisch gesprochen werden, damit die Soldaten auch alles verstehen konnten.
Ross stellte fest, daß es ihm viel nützte, Usbekisch zu verstehen, denn so schnappte er oftmals interessante Informationen auf. Die Wachen hatten eine Art von Wette abgeschlossen, ob Lord Kilburn sofort
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