Wilder als der Hass, süsser als die Liebe
hinunter, wobei sie sich zu einem normalen Schritt zwang, als ob sie sich vor nichts fürchtete, was er als Rache unternehmen könnte. Dennoch hielt sie den Dolch in der Hand und lauschte angestrengt auf Geräusche, für den Fall, daß er sich doch schneller erholte, als sie es erwartete. Die Gewalt seines haßerfüllten Blickes brannte ihr im Rücken, bis sie um die nächste Ecke gebogen war.
Als sie ihre Räume erreichte, kam gerade ein Diener heraus, also glitt sie schweigend an ihm vorbei, schloß die Tür und schob den Riegel vor. Dann zog sie ihren Tagelmoust herunter und vergrub ihr schweißbedecktes Gesicht in dem Stoff.
Ross saß mit einem Schreibblock auf dem Diwan, sah jedoch sofort besorgt auf. »Stimmt etwas nicht?«
»Eigentlich schon.« Sie brachte ein schiefes Lächeln zustande, als sie ihr Gesicht aus den Falten hob. »Shahid Mahmud hat mir einen unsittlichen Antrag gemacht, hat jedoch meine Fähigkeit und meinen Wunsch, mich zu verteidigen, unterschätzt. Zum Glück hatte ich Stiefel und nicht die Sandalen an.«
»Verdammt!« fluchte Ross zornig, als er sich auf die Füße schwang und sie schützend in die Arme zog. »Wie hat der Bastard herausgefunden, daß du eine Frau bist?«
»Hat er nicht.« Juliet stellte fest, daß sie trotz der Wärme des späten Nachmittags vor Erleichterung bebte, al s Ross seine Arme um sie schlang. Es gab nichts Besseres als ein bißchen Drama, um eine Beziehung auf die Essenzen zu reduzieren; in ihrem Fall bedeutete das gegenseitiger Trost und Schutz. »Er hat letzte Nacht genug gehört, um daraus zu schließen, daß unsere Beziehung über das strikte Herr-und-Diener-Verhältnis hinausgeht, aber es scheint ihm nicht in den Sinn gekommen zu sein, daß ich eine Frau bin.«
Ross zog sie fester an sich. »Ich verstehe. Schade, daß wir ihn nicht umbringen können. Wenigstens kann er sich nicht beim Nawab beschweren, daß mein Diener sich nicht vergewaltigen lassen will. Ich fürchte, du kannst nur besonders vorsichtig sein und dich nicht wieder allein erwischen lassen. Aber für alle Fälle ist es vielleicht gut, wenn du eine Pistole bei dir hast.« »Ausweichen ist besser. Shahid zu töten oder zu verwunden, würde Untersuchungen nach sich ziehen, die wir uns nicht leisten können.« Müde entfernte Juliet sich von Ross und ließ sich auf den Diwan fallen. Auf dem niedrigen Tisch stand ein mit Kondenswasser beschlagener Krug mit der Eis-und-Traubensirup-Mischung, die der Diener soeben gebracht hatte. Sie füllte zwei Becher. »Wir müssen darüber sprechen, wie wir Buchara verlassen.«
»Die Lage ist heute noch schlimmer geworden.« Ross setzte sich ebenfalls und berichtete ihr von dem Gespräch mit Abdul Samut Khan am Morgen.
Juliet nickte düster. »Also stehst du nun unter Hausarrest. Ich hoffe nur, daß der Nawab recht hat, wenn er behauptet, der Emir sei zu beschäftigt, um in der nächsten Zeit an dich zu denken. Ich denke, wir sollten fliehen, sobald Nasrullah die Stadt verlassen hat.«
Beide hatten ihr rahat ijan ausgetrunken, also füllte Ross die Gläser wieder auf. »Du hast, seit wir hier sind, alle Möglichkeiten ausgekundschaftet. Was schlägst du vor?«
Juliet schenkte ihm ein Lächeln; sie hatte es immer an ihm geliebt, daß er offen für Vorschläge war, was nur ein wirklich charakterstarker Mann sein konnte. »Zuerst sollten wir Saleh und Reza zurück nach Persien schicken. In ein paar Tagen verläßt eine große Karawane die Stadt in Richtung Teheran. Dann sind nur noch Murad und wir beide übrig.«
Ross folgte der Richtung ihrer Gedanken mühelos. »Und wir drei sind die kräftigsten. Du meinst, wir sollten uns turkmenische Pferde besorgen und so weit wie möglich nach Westen reiten, nicht wahr? Ich habe auch schon darüber nachgedacht und stimme zu, daß das unsere beste Chance sein könnte, aber es wird auch gefährlich werden. Die Karakum im Frühling zu durchqueren ist schon schlimm genug -aber in dieser Jahreszeit ist die Hitze mörderisch, und vermutlich werden wir zumindest einen Teil der Strecke verfolgt werden.«
»Ja, aber turkmenische Räuber ziehen seit Dschingis-Khan plündernd durch die Wüste. Wir können genauso überleben, solange wir nur schnell genug und ohne Gepäck reiten.« Sie beugte sich vor, und ihre Hände untermalten begeistert ihre Worte. »Wir sind auf der Hauptroute der Karawanen hergekommen. Aber es gibt noch eine zweite Strecke, die südlich von Merw und Ratifak entlangführt. Wenn wir die nehmen, ist es
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