Wilder als der Hass, süsser als die Liebe
unwahrscheinlicher, daß wir verfolgt werden oder auf turkmenische Banden stoßen.«
»Es ist die schwierigere Strecke, da die Wasserversorgung nicht besonders verläßlich ist«, bemerkte Ross, »und ohne einen Führer, der sich gut auskennt, werden wir es schwer haben, überhaupt Wasser zu finden. Pferde sind schneller als Kamele, aber sie müssen auch mehr trinken. Wir werden nicht genug mitschleppen können, um uns und die Tiere durch Hunderte von Meilen brennender Wüste zu bringen.«
»Murad ist die Strecke zwar noch nicht entlanggereist, aber in den letzten Wochen hat er lange mit Männern gesprochen, die es getan haben. Er hat detaillierte Informationen erhalten, wo die Wasserlöcher sich befinden.«
Ross lehnte sich gegen die Wand. Er war noch immer skeptisch. »Murad hat allerbeste Absichten, davon bin ich überzeugt. Aber er hat sich schon in Persien verirrt, das er angeblich gut kannte. Willst du dein Leben in seine Hände legen?«
»Ja, denn ich denke, daß es unsere beste Chance ist«, antwortete Juliet. »Überall um die Stadt herum ist Wüste, aber es ist wegen der Kampfhandlungen um Kokand und Herat gefährlich, nach Osten oder Süden zu gehen. Nördlich nach Chiwa wäre am besten, aber dann müssen wir irgendwann dennoch durch die Karakum. Wenn wir uns nach Westen bewegen, müssen wir nur Serevan erreichen, und mit etwas Glück könnten wir es in fünf oder sechs Tagen im strammen Galopp schaffen.«
»Wir könnten das Glück haben, obwohl ich nicht gerade Geld darauf wetten würde.« Ross fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Seine Miene war besorgt. »Ich will die Chance ja durchaus ergreifen, aber es gefällt mir überhaupt nicht, daß du und Murad euer Leben unnötig riskiert. Wenn Murad mir eine Art Karte zeichnen würde, dann könnte ich es vielleicht allein versuchen.« »Drei Leute haben bessere Überlebenschancen als einer.« Juliet beugte sich mit trotzigem Gesicht vor. »Wir haben das schon ein paarmal durchgesprochen. Murad kennt das Risiko und tut es trotzdem. Und merk dir jetzt ein für allemal, Ross: Ich werde dich unter gar keinen Umständen allein durch die Karakum ziehen lassen!«
Er blickte sie einen Moment verdattert an, dann grinste er langsam und streckte den Arm aus, um ihre Wange zu streicheln. »Du bist ein erschreckendes Weib. Es klingt so, als hätte ich überhaupt kerne Wahl, als deinen Plänen zuzustimmen.«
Juliet bedachte ihn mit einem gespielten Stirnrunzeln. »Recht hast du, Ferengi.«
Während seine vergnügte Stimmung wieder abebbte, griff Ross in seinen Rock und zog ein Stück Papier heraus, das er Juli et gab. »Ich habe das heute geschrieben. Es wird wahrscheinlich niemals gebraucht, aber ich finde dennoch, du solltest es haben.« Mißtrauisch untersuchte sie den Zettel. Er war zusammengefaltet und mit Wachs versiegelt, das von Ross' Siegelring markiert war. »Was ist das - dein Letzter Wille und Testament?«
»Nein, das liegt in England ... ich regle meine Angelegenheiten immer, bevor ich das Land verlasse. Aber wenn wir gerade dabei sind, dein Einkommen ist für den Rest deines Lebens gesichert«, antwortete er mit emotionsloser Stimme. »Was ich dir da gegeben habe, ist eine beeidigte Erklärung, daß du die Wahrheit sagst, falls du nächstes Jahr ein Kind bekommst und behauptest, ich habe es gezeugt.«
Juliet starrte das Dokument an, als wäre es eine giftige Schlange. Sie war sich durchaus über die möglichen Folgen der gestrigen Nacht bewußt, aber diese Sache war so grundlegend kompliziert, daß sie sich geweigert hatte, darüber nachzudenken. »Dies wird nur zur Geltung kommen, wenn du stirbst und ich überlebe und gleichzeitig schwanger bin«, meinte sie angespannt. »Und das ist ziemlich unwahrscheinlich!«
»Stimmt«, gab Ross zu, »aber es wäre nachlässig von mir, nicht alle möglichen Vorkehrungen zu treffen. Es ist eine Menge Vermögen im Spiel. Wenn wir einen Sohn haben sollten, ist er der nächste Duke of Windermere, eine Tochter wäre eine einflußreiche Erbin. Da wir Jahre getrennt waren, bekommst du Schwierigkeiten von allen möglichen Vettern, die als Erben eingesetzt werden könnten, wenn du nur einen Brief nach England schreibst, daß du einen legitimen Nachfolger auf die Welt gebracht hast. Ich möchte nicht, daß du dich dem stellen mußt.« Juliets zitternde Finger strichen immer wieder über das Dokument. Unser Sohn. Unsere Tochter. »Du denkst an alles«, brachte sie mühsam hervor. »Aber was, wenn ich wirklich ein Baby
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